Im Jahr 2007 wurde Josef Winkler mit dem Österreichischen Staatspreis für Literatur ausgezeichnet.

Frage: Womit hat Josef Winkler Anstoß erregt?

Antwort: Der Kärntner Autor hielt aus Anlass einer Klagenfurt-Feier – die Stadt besann sich jüngst ihres 500-Jahr-Jubiläums – eine Rede. Nicht zum ersten Mal geißelte Winkler die Tatsache, dass Klagenfurt bis heute keine eigene Stadtbibliothek besitzt. Im Gegensatz dazu verfügt die Lindwurm-Stadt immerhin über ein bestenfalls sporadisch genutztes Fußballstadion mit 33.000 Plätzen. An diesem Punkt strapazierte der Dichter seine Vorstellungskraft: Um die Ränge des leeren Stadions wenigstens mit Skeletten zu befüllen, müsse man "den halben Annabichler Friedhof" ausgraben. Ein klarer Fall von dichterischer Übertreibung.

Frage: Wie kam der Festredner Winkler auf Jörg Haider zu sprechen?

Antwort: Über den rhetorischen Umweg des Hypo-Desasters sinnierte Winkler über Kärntner Politiker, die heute mit Fußfesseln durch Klagenfurt flanieren. Den wütenden Zorn der FPÖ erregte Winkler mit einer anderen Passage. Jörg Haiders Urne gehöre "eigentlich" in eine bewachte Gefängniszelle. Nur so könne man seine Wiederkehr als "Phönix aus der Asche" wirksam verhindern. Denn schon zu Lebzeiten habe Jörg Haider öfter gesagt: "Ich bin weg! Ich bin wieder da! Ich bin wieder weg! Und gleich wieder da!"

Frage: Ist Winklers Auslassung ein Anschlag auf jemandes Menschenwürde?

Antwort: Die Freiheitlichen, die zum Teil noch während des Vortrags wutschnaubend den Saal verließen, bezeichneten Winkler, den Bauernsohn aus Kamering bei Paternion, prompt als "linken Hassprediger", der die "Grenze des Erträglichen überschritten" habe. Einer Anzeige wegen Verhetzung sollen jetzt Privatklagen folgen. Doch egal zu welchem Urteil das angerufene Gericht gelangt: Winklers Text ist klar ersichtlich eine literarische Einlassung. So wie kein einziges Annabichler Skelett jemals einen Stadionrang erklettern wird, um dort mit einem Knochen auf den eigenen Schädel zu trommeln, genauso wenig wird man Haiders sterbliche Überreste – Friede ihnen! – wortwörtlich unter Arrest stellen (müssen).

Frage: Was kennzeichnet die Literarizität von Winklers Rede?

Antwort: Der Autor und Georg-Büchner-Preisträger Winkler operiert seit seinem Romandebüt Menschenkind (1979) mit gezielten Übertreibungen. Die Überspitzung unerträglicher Strukturen und Zustände ist nicht erst seit Thomas Bernhard ein literarisch zulässiges Kennzeichen des Alarmismus. Übertreibung dient der Kenntlichmachung von Borniertheit. Künstlerische Strategien helfen, strukturelle Gewalt sichtbar zu machen. Winkler, ein verschworener Anhänger anrüchiger Einzelgänger wie Jean Genet oder Pier Paolo Pasolini, ist nicht nur ein Schüler der antibürgerlichen Moderne. Das obsessiv benützte Merkwort seiner morbiden Poesie ist von jeher der Tod.

Frage: Warum werden jetzt die Anzeigenden ihrerseits angezeigt?

Antwort: Wegen des Ausdrucks "Hassprediger" hat die Interessengemeinschaft Autorinnen Autoren jetzt eine Sachverhaltsdarstellung gegen die FPÖ eingebracht. Geprüft werden soll die "rechtliche Zulässigkeit" des Begriffs. (Ronald Pohl, 2.5.2018)