Ob die türkischen Hacker, die am Wochenende das Twitter-Konto von EU-Kommissar Johannes Hahn gekapert haben, wirklich Gegner von Präsident Tayyip Erdoğan sind, ist nicht ganz sicher. Es könnte auch AKP-nahe Trolle sein.

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Normalerweise schreibt er Freundlich-Optimistisches über sein tägliches Arbeitsprogramm und den Lauf der Europäischen Union. Derzeit aber twittert EU-Kommissar Johannes Hahn seltsame Dinge auf Türkisch. Die türkische Hackergruppe Ayyıldız Tim – etwa: Team der türkischen Nationalfahne – hat am Samstag die Übernahme des Twitter-Kontos des österreichischen Kommissars bekanntgegeben.

"Ihr Konto ist von der türkischen Cyber-Armee Ayyıldız Tim gehackt worden. Ihre DM-Korrespondenz und wichtige Daten sind abgefangen worden", stand auf Türkisch und Englisch zu lesen. Garniert ist die Meldung mit einem Symbolbild der Hackergruppe: zwei Adlerköpfe, die rote türkische Fahne mit dem Halbmond und ein "Cyber-Soldat" mit verhülltem Gesicht und der Losung "Wir wachen lautlos".

Wehende Fahne

Während Hahn am vergangenen Freitag noch über seine Eröffnungsvorlesung für einen neuen Studiengang an der Universität Salzburg twittern konnte, kamen von seinem Konto @JHahnEU auch die wehende türkische Fahne oder Unterstützungserklärungen von Ayyıldız Tim für den türkischen Geheimdienst MIT.

In Brüssel wies die EU-Kommission die Behauptung der türkischen Hacker zurück. "Wir haben das Account unter Kontrolle", hieß es aus Hahns Umfeld. Es seien auch keine Daten gestohlen worden. Die Reinstallierung des Kontos nehme wegen der höher gewordenen Sicherheitsanforderungen bei Twitter aber mehr Zeit ein.

Atatürk-Verehrer

Die türkische Hackergruppe Ayyıldız Tim wird säkularen Ultranationalisten und Atatürk-Verehrern zugerechnet und soll 2002 in Neuseeland gegründet worden sein. Sie gilt neben der linksstehenden Gruppe Redhack als wichtigstes türkisches Hackerkollektiv. Allerdings sind in den vergangenen Jahren auch viele andere Hacker aufgetreten, die als Trolle der konservativ-islamischen Regierung angesehen werden.

Das "Aslan Neferler Tim" etwa, das "Team der Löwen-Soldaten" – bestehend aus einer Person, dem Türken Arslan A. aus Bowling, Kentucky – soll für den Cyber-Angriff auf den Flughafen Schwechat und die österreichische Nationalbank im September 2016, später auf das Außen- und Verteidigungsministerium verantwortlich gewesen sein.

EU-Kommissar Hahn wurde nun das Ziel der türkischen Hacker, weil ihm als Federführendem im faktisch stillgelegten Beitrittsprozess offenbar eine türkeifeindliche Haltung vorgeworfen wird. Noch näher liegt aber der Umstand, dass die österreichische Bundesregierung im anlaufenden türkischen Wahlkampf Auftritte türkischer Politiker in Österreich ausgeschlossen hat. (Markus Bernath, 29.4.2018)