Ein Grund, Sprachen zu mischen: Kinder verbinden mit Wörtern in einer Sprache oft bestimmte Emotionen.

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Aus sprachwissenschaftlicher und entwicklungspädagogischer Sicht ist das Phänomen des frühen Sprachmischens, auch Code-Mixing genannt, einfach erklärt. Kleinkinder, die noch am Anfang ihrer Sprachentwicklung stehen und in beiden Sprachen, in denen sie sozialisiert werden, noch wenige sprachliche Ressourcen haben, helfen sich aus. Ganz intuitiv und unbewusst bedienen sie sich all ihrer Möglichkeiten. Ist also ein Wort in der einen Sprache vorhanden und in der anderen noch nicht, wird es genutzt, unabhängig vom Sprachkontext. So entstehen dann Sätze wie "Ich will das put in meine Lade", erzählt eine Pädagogin aus ihrem Alltag. Oder wenn sich Kinder beim Beugen der Verben aushelfen: "Ich bin gejumped."

Der Aufbau eines Sprachbewusstseins

Mit der Zeit und dem Heranreifen des Kindes entsteht sukzessive ein immer ausgeprägteres Sprachbewusstsein. Das Kind lernt, dass es unterschiedliche Sprachen gibt, die mit unterschiedlichen Menschen und in unterschiedlichen Situationen gesprochen werden. Dieser Prozess findet vor allem auch durch Erfahrung statt. Das Kind macht Erfahrungen, von wem es verstanden wird – oder auch nicht. Entsprechend passt es seine Sprachwahl an. Diese Entwicklungsschritte beginnen etwa mit zwei Jahren und dauern bis ins vierte Lebensjahr. Immer geschickter wechseln die Kinder zwischen den Sprachen.

Wenn sich beide Sprachsysteme gut entwickeln, geht das Mischen zurück. Meine Tochter, die dreisprachig aufwächst, hat zum Beispiel sehr bald aufgehört, im Kindergarten die Sprachen zu vermischen, weil sie gemerkt hat, dass sie nicht verstanden wird. Im Alter von drei Jahren hat sie im Kindergarten nur noch Deutsch gesprochen.

Das Mischen und Switchen verschwindet aber nicht ganz. Und das ist auch gut so, denn bilinguale Menschen bedienen sich des Code-Mixings auch als zusätzliches Kommunikationsmittel. Das ist Teil einer normalen, kreativen und lustvollen Sprachpraxis.

Emotionale Beweggründe

Mein Sohn ist gerade drei geworden, und er liebt sein Ritterschwert. Ich habe es ihm geschenkt, somit steht es für ihn im Kontext des Bulgarischen, unserer gemeinsamen Kommunikationssprache. Меч oder Schwert auf Deutsch hat also für ihn eine besondere Bedeutung. Dieses Wort ist mit viel Emotion verbunden – mit der großen Freude, als er es geschenkt bekam, mit den aufregenden Spielen, die er sich ausdenkt, und mit unserer eigenen emotionalen Bindung zwischen Mutter und Kind, die durch das Bulgarische geprägt ist. Also verwendet er immer den bulgarischen Ausdruck, wenn es um sein Lieblingsspielzeug geht, und das so konsequent, dass es sogar seine Freunde übernehmen.

Sprache ist also mehr als das mechanische Erwerben von Vokabeln und deren entsprechenden Bedeutungen. Gerade für junge Kinder steht Sprache in Verbindung mit dem Erlebten. Wenn sich Eltern und Pädagogen dessen bewusst sind, können sie die Kinder gut sprachlich im Alltag begleiten und ein Stück weit Ängste abbauen, denn solcher Art sprachliche Kreativität ist eher ein Zeichen von vielschichtigem Umgang mit Sprache als ein Defizit.

Code-Mixing bei älteren Kindern

Als Philologin, aber auch als mehrsprachiger Person fällt mir auf, dass sich in unserer Gesellschaft nach wie vor sehr hartnäckig der monolinguale Blick auf mehrsprachige Menschen hält: dass beispielsweise Code-Switching bei älteren Kindern und Jugendlichen gleichgesetzt wird mit mangelnder Sprachkompetenz.

"Die können nicht einmal ihre Sprache", lautet oft der saloppe Vorwurf, wenn es um die deutschen Ausdrücke geht, die Jugendliche verwenden, wenn sie in einer ihrer Herkunftssprachen sprechen. Einerseits ist die Haltung "ihre Sprache" problematisch, denn das impliziert, dass Deutsch nicht "ihre Sprache" wäre. Natürlich ist auch Deutsch "ihre Sprache", das ist bei bilingualen Menschen ja das Wunderbare, sie wachsen mit zwei Sprachen auf, die sie verinnerlichen, aber nicht jede auf exakt die gleiche Art und Weise. Es entwickeln sich Teilkompetenzen: In der einen Sprache ist man in einem Thema eloquenter, in der anderen ist es ein anderes Gebiet, eine Sprache ist dabei dominanter und so weiter.

Mehrsprachige Entwicklung ist nicht linear, sondern voll von Veränderungen, Abstufungen und auch Brüchen. Das schöne daran ist die Vielfalt an sprachlichen und kognitiven Möglichkeiten, die entsteht. Der offene Blick auf Sprachwechsel und Sprachmischung bei mehrsprachigen Kindern ist einer, der nicht verurteilt und Unsicherheiten schürt, sondern den Raum für einen beseelten Umgang mit Sprache zulässt. (Zwetelina Ortega, 14.5.2018)