Wollen den staatlichen "Kleiderschrank" durchforsten: Regierungspolitiker Kurz, Moser und Strache.

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Wien – Nach vielen Angekündigungen hat die Regierung nun konkretes vorgelegt: Mit dem "Zweiten Bundesrechtsbereinigungsgesetz" sollen alle nicht mehr benötigten Gesetze gestrichen werden, die vor 2000 in Kraft getreten sind. Wie Justizminister Josef Moser (ÖVP) sagte, sind 600 Gesetze betroffen, etwas mehr als ein Drittel aller Gesetze.

Vizekanzler Heinz Christian Strache (FPÖ) erinnerte daran, dass die letzte Rechtsbereinigung des Bundes 1999 stattgefunden habe. Den Einwand, dass die Bevölkerung wohl wenig davon habe, wenn Gesetze gestrichen werden, von deren Existenz ohnehin niemand mehr wisse, wollten weder Moser noch Kurz gelten lassen. Moser verglich den Rechtsbestand mit einem Kleiderschrank, der ab und zu durchforstet gehöre. Und Kurz kündigte an, neue Gesetze künftig vermehrt mit Ablaufdatum zu versehen ("Sunset Legislation") und nach der "Entrümpelung" des Rechtsbestandes nun auch inhaltlich prüfen zu wollen, wo noch aktuelle Regeln gestrichen werden können.

Regierung will nicht immer übererfüllen

Letzteres läuft bei der Regierung unter dem Schlagwort der Vermeidung von "Gold Plating". Darunter versteht Kurz, "dass wir nicht in allen Bereichen europäische Regeln übererfüllen". Mit dem Argument, "Gold Plating" vermeiden zu wollen, hat die Koalition zuletzt etwa die von Datenschützern geforderte Einführung europaweiter Verbandsklagen gegen Datenschutzverletzungen durch Konzerne abgelehnt. Vorschläge zum Rückbau anderer Gesetze auf EU-Mindeststandards sammelt die Regierung bis Mitte Mai.

Befürchtungen, das am Freitag vorgelegte Rechtsbereinigungsgesetz (http://go.apa.at/htnAmNwq) könnte Schutzstandards für die Bevölkerung senken, wies Moser gleich eingangs von sich. Im Verbraucher-, Umwelt- und Arbeitnehmerschutz habe man kein Gesetz aufgehoben, sondern allenfalls nicht mehr benötigte Verordnungen. Etwa jene, wonach bei der Ski-Weltmeisterschaft die Wochenendruhe aufgehoben wird. "Wir sind sehr vorsichtig vorgegangen, um nicht in den Verdacht zu geraten, dass wir durch die Rechtsbereinigung Standards reduzieren wollen", betonte Moser.

600 von 1600 Gesetze fallen

Formal besagt das Rechtsbereinigungsgesetz, dass alle vor 1. Jänner 2000 veröffentlichten Gesetze und Verordnungen außer Kraft treten sollen. Ausgenommen sind Verfassungsgesetze sowie alle explizit in einer 250 Seiten langen "Positiv-Liste" angeführten Gesetze und Verordnungen. Wie Moser erläuterte, werden damit rund 600 von 1.600 Bundesgesetzen gestrichen (37,5 Prozent), sowie 1.800 von 3.400 Verordnungen (53 Prozent). Wer eines dieser Gesetze beibehalten will, sollte sich bis 1. Juni beim Justizministerium melden – bis dahin läuft die Begutachtungsfrist.

Opposition warnt vor Nebenwirkungen

Die Opposition kann mit der von der Regierung angekündigten Rechtsbereinigung wenig anfangen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Die SPÖ befürchtet, dass beim nächsten angekündigten Schritt – dem Rückbau auf EU-Mindestvorgaben – Schutzrechte für Arbeitnehmer, Verbraucher und Umwelt unter die Räder kommen könnten. Die NEOS ätzten über die "gefühlt zehnte Pressekonferenz" zum Thema. (APA, 27.4.2018)