Der niedrige Wiener Richtwert ist ein Ärgernis für viele Hausbesitzer. Um die Erhaltung alter Zinshäuser zu erleichtern, soll zumindest das Lagezuschlagsverbot im bestehenden Mietrecht 2019 aufgehoben werden.

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Wien – Am 1. Jänner 2019 sollen erste Änderungen im bestehenden Mietrecht in Kraft treten. Das bekräftigte Johann Singer, Bautensprecher der ÖVP, am Rande der "Wohnbaulounge" der Erste Bank am Donnerstag gegenüber dem STANDARD.

Degressiver Befristungsabschlag

Welche Maßnahmen zu diesem Datum konkret umgesetzt werden, kann Singer noch nicht sagen, in Details steckt man noch in Verhandlungen mit der FPÖ. Deren Bautensprecher Philipp Schrangl stellte gemeinsam mit Singer auf der Veranstaltung die Eckpunkte des wohnrechtlichen Regierungsprogramms vor, die beiden gingen dabei aber nur auf eine konkrete Baustelle ein, nämlich die Befristungen. Man wolle "wirtschaftliche Anreize" dafür setzen, dass wieder mehr länger- bis unbefristet vermietet wird, so Singer und Schrangl. Dass man mit Anreizen und nicht mit Strafen arbeiten wolle, wurde dabei mehrmals betont.

Als sicher gilt, dass der degressive Befristungsabschlag – also höhere Abschläge für kürzere Befristungen als für längere – wieder eingeführt wird, denn damit lassen sich am einfachsten die gewünschten Anreize geben. Singer verwies auf eine erst vor wenigen Tagen von Wohnbauforscher Wolfgang Amann präsentierte und im Auftrag des Landes Vorarlberg erstellte Studie, die zum Schluss kommt, dass in Vorarlberg 2000 leerstehende Wohnungen sofort vermietet werden könnten, wenn es gesetzliche Eingriffe gäbe. Potenzieller Ärger mit Mietern und die Befürchtung, diese selbst bei Eigenbedarf nicht mehr aus der eigenen Wohnung zu bekommen, seien nämlich oft der Grund, warum Wohnungen nicht vermietet werden. Und generell werde das Mietrecht oft als viel zu kompliziert erachtet.

"Heraussanieren" wird möglich

Eine weitere als sicher geltende Maßnahme gab Alexander Pawkowicz, Bautensprecher der Wiener FPÖ, am vergangenen Montag auf einer Veranstaltung für Wiener Zinshausbesitzer bekannt. "Jedenfalls noch heuer" werde es zu einer Abschaffung des Lagezuschlagverbots in Gründerzeitviertel kommen, so Pawkowicz vor rund 150 Zinshausbesitzern. Diese sind von dieser Idee naturgemäß erfreut, und viele ebenso von dem Plan, dass man sich vom Wiener Richtwert "heraussanieren" können soll.

Mit aktuell 5,58 Euro je Quadratmeter wird der Wiener Richtwert von vielen Hausbesitzern als zu niedrig empfunden. Wer also künftig umfassend saniert, darf mehr verlangen als der Richtwert hergibt, so die Pläne.

Details bei Eintrittsrechten noch offen

Viele der geplanten Punkte – etwa auch die künftige Gestaltung der Eintrittsrechte in Mietverträge – sind aber noch in Verhandlung zwischen den Regierungsparteien. Maßgebliche Verhandler sind dabei nicht Singer und Schrangl, sondern auf FP-Seite Pawkowicz, auf VP-Seite Thomas Malloth, der einst Obmann des WKÖ-Fachverbands der Immobilientreuhänder war, nach seiner überraschenden Abwahl im Jahr 2015 aber wieder beim Österreichischen Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI) andockte. Dass sich deshalb das Regierungsprogramm in maßgeblichen Teilen mit den Forderungen des ÖVI überschneidet, ist da wenig überraschend.

Bautenausschuss im Herbst

Wie geht es weiter? Noch bis zum Sommer will man die Details klären und mit dem Justizministerium abstimmen. Die Änderungen im Mietrechtsgesetz (MRG) sollen dann laut Singer im Herbst in den Bautenausschuss, danach ins Plenum des Parlaments, dann wäre das Inkrafttreten mit 1. Jänner gesichert. Einen gewissen Flaschenhals sieht Singer darin, dass man im Justizministerium unter anderem mit der von Justizminister Josef Moser vorangetriebenen "Rechtsbereinigung" gut ausgelastet sein wird.

Wie berichtet, plant die Regierung aber auch ein völlig neues Mietrecht "noch in dieser Legislaturperiode", wie Schrangl auf der "Wohnbaulounge" sagte. Geplant ist eine parlamentarische Enquete als Startschuss für die Verhandlungen, die nach heutigem Stand im Jahr 2019 stattfinden soll.

Zinshausbesitzer kämpfen weiter

Und wie geht es mit den Wiener Zinshausbesitzern weiter, die gegen den niedrigen Richtwert kämpfen? Obmann Kaspar Erath ist mit seinem "Verein zur Revitalisierung und architektonischen Aufwertung der Wiener Gründerzeithäuser" im Vorjahr mit einer Klage vor dem Verfassungsgerichtshof abgeblitzt, man werde aber "alle Instanzen durchfechten", bekräftigte er auf dem Event in der Börse. Erath wies darauf hin, dass der potenzielle "Diskriminierungstatbestand" des Richtwertgesetzes vom VfGH "aus formalrechtlichen Gründen gar nicht entschieden wurde".

Unterstützung erhofft man sich von der Politik. Nicht so sehr von der SPÖ, die trotz Bemühungen Eraths keinen Vertreter in die Börse schickte. ÖVP, Neos und auch die FPÖ äußerten auf dem Event aber doch mehr oder weniger starke Sympathie für die Anliegen des Vereins. Dessen Bemühungen kämen eigentlich sogar leider "zu spät", sagte Ursula Stenzel, FP-Stadträtin ohne Portefeuille, denn es werde leider immer mehr abgerissen.

Pawkowicz wies aber auch darauf hin, dass es "auch unredliche Zinshausbesitzer gibt", insofern sei es für seine Partei nicht denkbar, das Wohnen gänzlich dem Markt zu überlassen (wie es etwa Neos-Abgeordnete Irmgard Griss zur Diskussion stellte). "Das Mietrechtsgesetz ist in erster Linie ein Konsumentenschutzrecht", so Pawkowicz, der selbst gelernter Immobilientreuhänder ist. Nachsatz: "Damit ist aber nicht unbedingt der Preisschutz gemeint." Mit anderen Worten: Über die Mietzinsgestaltung könne man reden, grundsätzliche Rechte wie etwa der Kündigungsschutz müssten aber gewahrt bleiben.

AK-Experte: "Betrug am Kunden?"

Letzteres sieht naturgemäß Walter Rosifka, Wohnrechtsexperte der Arbeiterkammer und bei der Veranstaltung in der Börse ebenfalls anwesend, auch so. Was die Preisgestaltung betrifft, hat er aber eine dezidiert andere Meinung. Die Argumentation, dass man mit 5,58 Euro je Quadratmeter keinen Altbau erhalten könne, unterstelle nämlich "hunderten Immobilienmaklern, Althausverwertern, Bauträgern und Hausverwaltern Betrug an ihren Kunden", so Rosifka. Häufig werde nämlich beim Verkauf einer Altbaueigentumswohnung die zur Erhaltung des Hauses und zur Beseitigung ernster Schäden nötigen Rücklagen mit einem Euro, maximal 1,50 Euro pro Quadratmeter und Monat festgelegt – "also einem Bruchteil des Richtwerts". (Martin Putschögl, 27.4.2018)