Brian Eno (li.) und John Cale. Mit ihrem 1990 erschienenen Album Wrong Way Up installierten sie einen immer noch zu wenig bekannten Stern am Pophimmel.

Vom Country-Standard Ring Of Fire gibt es eine Unmenge an Coverversionen. Den Song aus der Feder von June Carter und Merle Kilgore hat Carters späterer Ehemann Johnny Cash berühmt gemacht – und umgekehrt –, seither wurde er wohl tausende Male gecovert.

1980 veröffentlichte die US-Band Wall Of Voodoo eine grandiose Version. Sie hatte mehr mit Suicide und den Einstürzenden Neubauten zu tun als mit dem später sogar in der Hämorrhoidensalben-Werbung Einsatz findenden Rumpler.

Wall Of Voodoo covern Ring Of Fire. Stan Ridgway liefert den Rauch zum Feuer.
softbomb

Zehn Jahre nach der übersteuerten Version von Wall Of Voodoo hauchte Brian Eno eine zärtliche Version desselben Liedes ins Mikrofon. Zu Zen-haften Tupfern aus dem Synthie und etwas Lagerfeuergitarre pfeift er die Melodie, bevor er anhebt zu singen.

Eine Perle als Abfall

Es ist eine von vielen Perlen im Katalog des großen Briten und war damals dennoch nur ein Abfallprodukt. Aufgenommen hat er es mit John Cale, als er mit ihm 1990 das Album Wrong Way Up einspielte. Doch Cales und Enos Version wurde lediglich auf einer durchsichtigen Promo-Single veröffentlicht.

Brian Eno und John Cale covern Johnny Cashs Ring Of Fire. Zärtlichkeit, Baby.
izbro

Das wahre Meisterwerk ist jedoch Wrong Way Up. Nach einem Jahrzehnt, in dem sich Eno musikalisch bis an die Grenze der Esoterik wagte, fiel plötzlich dieses leichtfüßige Popalbum aus dem Himmel. Cale hatte zu der Zeit längst wieder festen Boden unter den Füßen.

Geputzt und gekampelt

In den 1980ern veröffentlichte er zwar eine Reihe exzellenter Alben, versenkte sich jedoch persönlich in diversen Abhängigkeiten, bevor er 1989 wie neu geboren erschien: Auf dem eher fadgasigen Words for the Dying stand er geputzt und wie ein Popper gekampelt mit Anzug am Cover. Die Geburt seiner Tochter Eden leitete Mitte der 1980er eine Reinigungsphase bei Cale ein – möglicherweise rettete sie sein Leben. So gesehen verdanken wir Cales Tochter wohl auch Wrong Way Up.

Keine toxischen Altlasten

Von toxischen Altlasten ist Wrong Way Up vollkommen befreit. Wrong Way Up ist ein semi-elektronisches Album. So hat damals nichts und niemand geklungen. Eno lässt es flirren und zucken, Cale spielt eine funky Gitarre. Etwa im Opener Lay My Love, der die Tonalität des Albums vorgibt.

Der Opener von Wrong Way Up. Eno. Singt. Endlich. Wieder.
pelodelperro

Und, die damals große Überraschung: Eno. Singt. Endlich. Wieder. Sein verklärtes Professorenidiom, diese Mischung aus verhaltener Leidenschaft und wissenschaftlicher Klarheit, war in den Jahren zuvor zu selten ans Mikrofon getreten. Auf Wrong Way Up teilen sich Cale und Eno den Gesang paritätisch und unterstützen sich gegenseitig.

Gesang wie aus der Matrosengala

One Word ist einer der potenziellen Hits des Albums. Eine infizierende Uptempo-Nummer mit den beiden damals schon lebenden Legenden in einträchtigem Chorgesang – so als hätten sie Matrosenuniformen getragen, um dem Song seine Unschuld zu erhalten.

Ein fauler Nachmittag, es ist windstill, im Pool bewegt sich noch das Wasser: One Word.
25million

Am anderen Spektrum der Stimmung watet Cale durch Balladen wie In The Backroom. Doch auch er fährt in den Pophimmel – als Leadsänger des angeblich autobiografisch gefärbten Been There, Done That, mit dem die beiden sogar in den US-Charts landeten. Es ist ein Abgesang auf Dinge, die einem nicht guttun – in der Garderobe einer gescheiterten Beziehung. Zwar leidet man wie ein Hund, zurück will man aber auch nicht.

Been There, Done That: Enos einziger Song, der je die US-Charts enterte.
CARRS

Apropos – den Sehnsuchtshadern dieses Meisterwerks schenkt uns Eno mit dem ätherischen Spinning Away. Wieder flirren die Gitarren wie früher bei den Talking Heads, dazu zischt und stampft es aus dem Synthie, während Enos Stimme das Firmament küsst wie ehedem Jimis Gitarre. Entrückte Schönheit, getauft in Herzblut, frei von jedwedem Machotum.

Entrückte Schönheit: Spinning Away.
Paula Lustemberg

Spinning Away erwischt einen jedes Mal – aber das lässt sich über das ganze Album sagen. Als solches sollte man es hören. So brillant alle Songs hier als selbstständige Superhits einer noch zu schaffenden gerechten Welt erklingen, erst in ihrer Gesamtheit offenbart sich die Erhabenheit dieses Albums.

Runter zum Fluss

Gegen Ende schießt Cale mit Crime In The Desert einen elektronischen Rock-'n'-Roll-Song aus der Hüfte, dann empfiehlt sich Eno für einen Spaziergang. Es zieht ihn runter zum Fluss, mit The River beschließt er das Album.

Die Sonne geht langsam unter

Der Song ist eine verträumte Zärtlichkeit an einer nie versiegenden Quelle der Popmetaphern. Der Fluss als Symbol für Kraft, das Leben, die Vergänglichkeit, eine Lebensader heute, ein todbringendes Monster morgen. Cale folgt ihm nach. Dann stehen sie da, die Sonne geht langsam unter – und sie wiegen sich ein letztes Mal im Chor in dieser Stimmung.

Am Fluss in den Sonnenuntergang schauen: Eno und Cale lassen es nach The River gut sein. Besser ging's nicht mehr.
parkhill62

Mit The River schließt sich der Kreis zu ihrer nie regulär veröffentlichten Version von Ring Of Fire, es besitzt dasselbe Tempo, dieselbe verschlafenen (Nach-)Lässigkeit. Aber man versteht, warum das Lied, trotz seiner Klasse, auf dem Album keinen Platz fand. Es ist zu kontaminiert, während der Rest hier die Reinheit eines Brautkleides besitzt. The River setzt den perfekten Schlusspunkt für ein perfektes Album. (Karl Fluch, 1.5.2018)