Wien – Drei Scheidungstermine hat Murat D. seit vergangenem September platzen lassen, daher ist der 31-Jährige noch immer mit Melanie R. verheiratet. Und laut Anklage soll die bevorstehende Scheidung nach zweijähriger Ehe beziehungsweise ein Streit um die Obsorge für die zweijährige Tochter des Paares auch der Grund sein, warum der Unbescholtene am Morgen des 9. Augusts die gemeinsame Wohnung angezündet hat. Ein Vorwurf, den D. vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Elisabeth Reich abstreitet.

Allerdings nicht sehr wortreich. Er bekennt sich lediglich "nicht schuldig", verweist auf seine beiden Aussagen bei der Polizei und will ansonsten keinen Kommentar mehr abgeben. Sein Verteidiger Mirsad Musliu betont, es handle sich um einen reinen Indizienprozess, 80 Prozent der Schlussfolgerungen der Staatsanwältin seien nicht durch Fakten gedeckt.

Keine DNA-Spuren sichergestellt

Fest steht nur, dass das Feuer mittels Diesel von einer Person gelegt worden sein muss, die einen Wohnungsschlüssel besessen hat – Einbruchsspuren wurden am Tatort nämlich keine gefunden. Dafür ein Zippo-Feuerzeug, von dem sowohl D. als auch seine Ehefrau, beide Raucher, behauten, es noch nie gesehen zu haben. DNA-Spuren konnten an dem Gerät nicht gesichert werden.

Es geht also um das mögliche Motiv. R. und ihre Familie vermuten Rachsucht aufseiten des Angeklagten. Er hätte rund eine Woche später in eine eigene Wohnung ziehen wollen und habe im Vorfeld persönliche Gegenstände und Schmuck entfernt, behaupten sie.

R. erzählt, die einvernehmliche Scheidung und die alleinige Obsorge für sie sei bereits vereinbart gewesen. "Dafür hat er das Auto bekommen", berichtet sie über D., den sie konsequent "meinen Noch-Mann" nennt. Allerdings zeigen von ihrerer eigenen Rechtsvertreterin vorgelegte Chatverläufe, dass das keineswegs so klar gewesen ist – D. wollte die gemeinsame Obsorge. Der Verteidiger ortet darin ein mögliches Motiv – wenn D. verurteilt würde, hätte R. im Streit um das Kind bessere Karten. Außerdem habe die Versicherung R. den Schaden ersetzt.

Kindergarten, Café, Arbeitsstelle

Bei der Polizei sagte der Angeklagte, der Tag sei wie jeder andere gewesen: R. habe die Wohnung um sechs Uhr verlassen, um in die Arbeit zu fahren. Er folgte um 7.30 Uhr, brachte die Tochter mit den Öffis in den Kindergarten, trank in einem Café gegen acht Uhr gemütlich einen kleinen Braunen und fuhr dann mit dem Taxi in seine Arbeit, wo eine Videokamera seine Ankunft um 9.04 Uhr festhielt. Laut Sachverständigem muss der Brand zwischen etwa 8.30 und 9.00 Uhr gelegt worden sein.

Für die Staatsanwältin gibt es aber mehrere Verdachtsmomente: D. wurde von den Überwachungskameras der U-Bahn nicht aufgenommen, dafür hat eine Zeugin, die Großtante seiner Frau, ihn in ein Auto steigen sehen. Und die Bedienung im Café sagte aus, er sei nicht wie üblich rund 20 Minuten geblieben, sondern nach fünf bis zehn Minuten grußlos verschwunden.

Zeugen bemerkten nichts Auffälliges

Umgekehrt sagen sowohl die Kindergartenpädagogin als auch D.s Bruder, in dessen Friseursalon dieser arbeitete, sowie ein benachbarter Schneider aus, D. sei völlig normal gewesen und habe keine Zeichen von Aufregung gezeigt. Letzteres scheint der Anklägerin aber ebenfalls dubios zu sein: Weder Bruder noch Schneider – bei dem der Angeklagte die Hose wechselte – erzählte D., dass ihn eben seine Frau angerufen und vom Brand der Wohnung berichtet habe.

Dieses Telefonat hatte der Angeklagte auch aufgezeichnet und der Polizei vorgespielt. R. sagte ihm, es habe in der Wohnung gebrannt, seine Reaktion war: "Was ist passiert? Wer ist das gewesen?" Verteidiger Musliu hat dafür eine Erklärung: "Menschen reagieren unterschiedlich. Es gibt auch Pessimisten, die immer das Schlimmste annehmen." Und überhaupt hätte nicht nur sein Mandant, sondern logischerweise auch R. sowie deren Eltern einen Schlüssel zur Wohnung gehabt.

Die Anklägerin weist daher im Gegenzug im Schlussplädoyer darauf hin, dass R. und ihre Eltern nachweislich zum Tatzeitpunkt in der Arbeit gewesen seien – D. sei also der Einzige, der Motiv und Gelegenheit gehabt habe.

Das sieht der Senat schließlich auch so und verurteilt D. nicht rechtskräftig zu drei Jahren unbedingter Haft. (Michael Möseneder, 26.4.2018)