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Whistleblower wie der durch die Facebook-Affäre bekannt gewordene Christopher Wylie (Bild) sollen in der EU künftig besser geschützt werden.

Foto: Reuters / Peter Nicholls

Viele Skandale wären in den vergangenen Jahren nicht aufgedeckt worden, wenn Informanten nicht den Mut gehabt hätten, Verstöße gegen Gesetze und das Gemeinwohl aufzuzeigen, sagte der für Grundrechte zuständige EU-Kommissar Frans Timmermans am Montag in Brüssel. Gemeinsam mit seiner für Justiz und Konsumentenschutz zuständigen Kollegin Věra Jourová präsentierte er einen Richtlinienvorschlag, der "Hinweisgeber" schützen soll – aber nur, wenn EU-Regelungen konkret betroffen sind.

Manche von diesen "Whistleblowern" seien "ein enormes persönliches Risiko eingegangen". Das Ganze sei auch für die beteiligten Medien eine "heikle Angelegenheit", begründete Timmermans den Vorstoß. Umso dringlicher müsste jetzt auf europäischer Ebene gesetzlich einiges getan werden, um Informanten vor Vergeltungsmaßnahmen durch jene, deren Machenschaften sie aufgedeckt haben, zu bewahren.

Regelungen in nur zehn Staaten

Entsprechende nationale Regelungen gibt es bisher nur in zehn EU-Mitgliedstaaten – wie Frankreich, Ungarn, Irland, Italien, Niederlande, Schweden oder Großbritannien. Sie sind aber, wie man in der Kommission betont, sehr unterschiedlich. Diese rechtliche Ungewissheit, nicht zu wissen, welche Konsequenzen eine diskrete Information nach außen in welchen Ländern eventuell haben kann, belaste viele Hinweisgeber.

Jourová räumte ein, dass die jüngsten Morde an zwei Aufdeckerjournalisten in Malta und in der Slowakei der Kommission Beine gemacht hätten. Der Richtlinienentwurf sieht die Einführung von speziellen Mindestschutzmaßnahmen durch die EU-Staaten vor. Grundsätzlich sollen nicht nur Angestellte in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst als Whistleblower anerkannt werden können, sondern auch Personen, die ein Praktikum machen und dabei auf Malversationen stoßen. Als grundsätzlich geschützt soll es gelten, wenn Informanten Brüche von EU-Gesetzen in den Bereichen öffentliche Auftragsvergabe, Finanzdienstleistungen, Geldwäsche, Terrorismus, Produkt- und Verkehrssicherheit enttarnen, aber auch wenn es um öffentliche Gesundheit, Produktsicherheit, Umwelt- und Datenschutz geht.

"Dieselgate" von Volkswagen wäre so ein Fall, erläuterte Jourová, Panama Papers und Lux Leaks ebenso. Die Mitgliedstaaten sollen dafür sorgen, dass Whistleblower auf drei Ebenen tätig werden können, um ihre Infos loszuwerden, ohne Konsequenzen fürchten zu müssen. In Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten oder zehn Millionen Euro Umsatz müssten interne Prozeduren geschaffen werden, damit gemeldete Verstöße vertraulich geprüft werden.

Dasselbe gilt für alle staatlichen Einrichtungen und regionalen Verwaltungen mit mehr als 10.000 Einwohnern. Sollte eine organisationsinterne Aufarbeitung nicht funktionieren, falls binnen drei Monaten kein Bericht der Beschwerdestelle vorliegt, müssen sich Hinweisgeber in einer zweiten Ebene legal an zuständige Behörden wenden können.

Medien in Schlüsselrolle

Sollte es auch dann keine Reaktion oder Abklärung des gemeldeten Falles geben, sollen sich Whistleblower straffrei an Medien oder die Öffentlichkeit wenden können. Entscheidend ist dabei immer, dass sie die Gefährdung eines öffentlichen Interesses, den Bruch von EU-Regeln aufdecken wollen und nicht andere eigenmächtige Ziele verfolgen.

Sollte es dennoch dazu kommen, dass ein Hinweisgeber enttarnt und dann mit negativen Konsequenzen bedroht wird, so soll laut Timmermans in einem Gerichtsverfahren die Beweislastumkehr gelten: Nicht der Whistleblower hat zu beweisen, dass er rechtmäßig gehandelt hat, sondern diejenigen, die ihn etwa durch Kündigung sanktionieren wollen, müssen zuvor beweisen, dass ein Hinweisgeber unkorrekt gehandelt hat. Auch kostenlose Rechtshilfe soll es geben. (Thomas Mayer aus Brüssel, 23.4.2018)