So ganz überzeugend klang Frans Timmermans nicht, als er bei der Präsentation des Gesetzesentwurfs zum Schutz von Whistleblowern gefragt wurde, wieso die EU-Kommission so lange gebraucht habe, um erste konkrete Vorschläge auf den Tisch zu legen.

Die Sache sei eben inhaltlich und rechtlich sehr kompliziert. Es sei lange nicht klar gewesen, auf welcher Rechtsbasis man überhaupt tätig werden solle, antwortete der Grundrechtekommissar. Und das Kollegium sei sich erst nach den jüngsten Skandalenthüllungen – unter anderem bei Facebook – und nach den Morden an Aufdeckerjournalisten in Malta und in der Slowakei relativ sicher, im EU-Parlament eine Mehrheit für die Richtlinie zu finden.

Das klingt weder schön noch gut – und reicht nicht als Begründung. Das EU-Parlament hatte eine Initiative bereits im Jahr 2013 gefordert, also noch in der Amtszeit der alten Kommission von José Manuel Barroso, vor den Enthüllungen zu Lux Leaks. Seither schlief das Projekt.

Es jetzt auf die Tagesordnung zu bringen, dient der Juncker-Kommission wohl vor allem dazu, erhöhte Aktivität zu demonstrieren, bevor sie zur Lame Duck wird: In einem Jahr gibt es Europawahlen. Zieht man Sommerpause und Wahlkampf ab, bleiben nurmehr ein paar Monate zur Erarbeitung dieser komplexen EU-Richtlinie.

Das ist leider sehr wenig, wenn jemand diese wichtige Angelegenheit zum Scheitern bringen möchte. Und es gibt einige Regierungen, denen der bessere Schutz von Skandalaufdeckern kein Herzensanliegen ist – nicht nur in Malta und Bratislava. Aber man soll die Hoffnung nicht aufgeben. Die Absicht ist nobel. Die Kommission hat zumindest auf dem Papier eindeutig deklariert, wie sie das Enttarnen von Verstößen und Missbräuchen durch Insider sieht: als etwas sehr Wünschens- und Schützenswertes. Es sollte übrigens intern auch für sie selbst gelten. (Thomas Mayer, 23.4.2018)