Straßburg – Externe Ermittler sehen starke Hinweise auf Korruption bei mehreren aktiven und ehemaligen Mitgliedern der Parlamentarischen Versammlung des Europarats. So habe eine Gruppe innerhalb der Organisation für Aserbaidschan gearbeitet, heißt es in dem am Sonntag veröffentlichten Bericht. Auch SPÖ-Bundesrat Stefan Schennach wird darin genannt – jedoch wegen Kontakten zu einer Menschenrechtsaktivistin.

Geld, Kaviar, Luxusuhren

Aserbaidschan versucht den Ermittlern zufolge seit seiner Aufnahme in den Europarat im Jahre 2001, die Arbeit der Organisation zu beeinflussen. In der Parlamentarierversammlung, der 324 Abgeordnete aus den 47 Mitgliedsstaaten angehören, hat die ölreiche ehemalige Sowjetrepublik laut Informationen von Nichtregierungsorganisationen mehrere Abgeordnete mit Geldzuwendungen, aber auch Geschenken wie Kaviar, Luxusuhren und Teppichen bestochen. Auf diese Weise gelang es ihr, kritische Berichte über Wahlen oder die Menschenrechtslage in dem Land zu verhindern.

Aserbaidschans "Schlüssellobbyisten" waren dem Bericht zufolge der ehemaligen italienischen Christdemokrat Luca Volonte und der frühere deutsche CSU-Abgeordnete Eduard Lintner. Beide weigerten sich, zur mündlichen Befragung zu erscheinen.

Verfahren in Italien als Auslöser

Gegen Volonte hatte die Mailänder Staatsanwaltschaft Ende 2016 ein Ermittlungsverfahren wegen Korruption und Geldwäsche eingeleitet, was den Skandal im Europarat ins Rollen brachte. Dabei ging es um Bestechungsgelder aus Aserbaidschan in Höhe von fast 2,4 Millionen Euro – abgewickelt über die gleichen britischen Briefkastenfirmen, über die auch Lintner dem aktuellen Bericht zufolge 819.500 Euro aus Baku erhielt.

Erarbeitet wurde der über 200 Seiten umfassende Bericht von zwei ehemaligen Richtern am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), Nicolas Bratza und Elisabet Fura, sowie Jean-Louis Bruguière, einem der bekanntesten Untersuchungsrichter Frankreichs.

SPÖ-Bundesrat hatte Kontakt mit Aktivistin

SPÖ-Bundesrat Schennach, bisheriger Co-Berichterstatter für Aserbaidschan im Europarat, wird in dem Bericht angelastet, gegen den Verhaltenskodex der Organisation verstoßen zu haben. Bei der Befragung habe er erklärt, dass er unter anderem mit der aserbaidschanischen Menschenrechtsaktivistin Leyla Yunus oft in Kontakt gewesen sei. Diese habe ihrerseits angegeben, dass sie von Schennach sogar einige Resolutionsentwürfe zum Kommentieren erhalten habe. "Nach Ansicht der Untersuchungskommission widerspricht eine solche Vorgehensweise von Herrn Schennach den Erfordernissen der Neutralität, Unparteilichkeit und Objektivität der Arbeit eines Berichterstatters", heißt es auf Seite 122 des Berichts.

Schennach zeigte sich auf Twitter am Sonntagabend verwundert über die Vorwürfe: "Ich frage mich, habe ich die Regeln gebrochen, weil ich zu engagiert mit NGOs und Menschenrechtsverteidigern bin und Leyla Yunus für ihre Kommentare kontaktiert habe – ich hoffe, dass der Regelausschuss und das Beobachterkomitee das anders sehen werden." Er werde auf die Funktion des Berichterstatters vorerst verzichten.

Über die "Kaviardiplomatie" der Regierung in Baku hatte bereits im Mai 2012 die in Berlin ansässige Organisation European Stability Initiative (ESI) ausführlich berichtet. Drahtzieher war laut dem ESI-Bericht Ilham Alijew, der selbst Vizepräsident der Parlamentarierversammlung war – bevor er 2003 zum Präsidenten Aserbaidschans gewählt wurde. ESI-Vorsitzender ist der Österreicher und "Vordenker" des EU-Flüchtlingsabkommens mit der Türkei, Gerald Knaus. (APA, AFP, 24.3.2018)