Donald Trump mit Männerdutt ist kaum vorstellbar.

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Elfriede Jelinek sieht ihre Frisur als antifaschistischen Kommentar.

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Der Vollbart von Labour-Chef Jeremy Corbyn gilt vielen Linken als Vorbild.

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Wäre Donald Trump jemals US-Präsident geworden, wenn er einen Männerdutt tragen würde? Wohl kaum. Im Internet ist es vielleicht gerade deswegen zum Sport geworden, Politikern wie Trump, Putin oder Kim Jong-un per Photoshop ein Haarknäuel am Hinterkopf anzudichten. Verblüffend ist, wie sehr die mit Attributen wie "unangepasst", "alternativ" oder "leger" assoziierte Frisur dem verfestigten Bild vom mächtigen Mann widerspricht. Das Auge wehrt sich geradezu gegen die Vorstellung, dieser Regelbruch könnte Tatsache sein.

Trumps reale Erscheinung – gelbes, eigenwillig frisiertes Haar, oranger Teint – transportiert hingegen eine Eigenart von "alternativ", die viel mehr an die Ästhetik des Show-Wrestlings erinnert. Der US-Präsident hat dort tatsächlich einmal selbst hingelangt. Das Haudrauf-Image mit Spaßfaktor gefällt seinen Wählern. Die Message kommt an. Oft unbewusst.

Idee der Naturbeherrschung

Im Wien-Museum widmet sich seit Donnerstag eine Sonderausstellung der vielfältigen Kulturgeschichte von Haut und Haar. Unter dem Motto "Frisieren, Rasieren, Verschönern" hat Kuratorin Susanne Breuss Erstaunliches zutage gefördert. 500 Objekte, von Franz Grillparzers Rasierbesteck bis zu obskuren Haartrocknern, erzählen von einer der ältesten Kulturtechniken des Menschen – der Bearbeitung des Körperhaars.

Kultur kommt schließlich von "colere" ("pflegen") und vielleicht sogar vom lateinischen "cultro": Das heißt Messer, und schon ist man damit bei der Rasur. Die erzählt für sich allein betrachtet eine Geschichte der politischen Auseinandersetzung. Beginnen könnte man etwa bei der ägyptischen Königin Hatschepsut, die sich ihrem Volk mit männlichem Vollbart präsentierte und damit das Prinzip Conchita Wurst vor gut dreieinhalbtausend Jahren vorwegnahm.

Aber freilich muss das Wien-Museum Grenzen abstecken. Entschieden hat man sich schlüssig für eine Geschichte des modernen Körpers vom 18. bis ins 20. Jahrhundert. In der Moderne setzt sich mit der Entdeckung des Individuums der Gedanke der Naturbeherrschung durch. Wer Macht über seinen Körper hat, kann sich auch der Politik bedienen.

Die parfümierten und täglich frisch gepuderten Perücken des Adels im Barock etwa sollten Macht durch künstliche Erhöhung der Körpergröße demonstrieren. Die bürgerlichen Revolutionäre von 1848 rückten dem Adel später mit dem Messer zu Leibe. Die Redewendung vom Abschneiden alter Zöpfe hat hier ihren realen Ursprung. Als Folge dessen erlebte der Bart einen Aufschwung.

Karl Lueger oder Kaiser Franz Joseph galten um 1900 als Wiener Role-Models. Eine ausgestellte NS-Zeitschrift glorifiziert unter dem Titel "Vom Kampf geformt" die Genese des Hitlerbärtchens: vom breiten Schnurrbart im Ersten Weltkrieg bis zum akkurat gestutzten schwarzen Quadrat. Gerade in der NS-Zeit verstärkte sich der Trend zur als soldatisch und hygienisch geltenden Glattrasur. Bei Frauen war in den 1920ern der Kurzhaarschnitt "Bubikopf" aufgekommen. Die Nazis propagierten dagegen "arische Gretelzöpfe".

Elfriede Jelinek beschreibt ihre berühmte Haargestaltung im Katalog zur Ausstellung als feministischen Kommentar zum Fortwesen des Faschismus: oben die emanzipierte, forsche Haartolle, unten die braven Gretelzöpfe.

In der Nachkriegszeit setzte sich bei westlichen Politikern die Glattrasur durch. Der letzte US-Präsident mit Bart war William Howard Taft im Jahr 1913. Österreich hatte mit Julius Raab (ÖVP) 1961 seinen letzten bärtigen Bundeskanzler. Während in den 1960ern Popkultur und kommunistische Rebellen wie Fidel Castro mit Marx den Vollbart zurück in die Politik brachten, wahrte die Sozialdemokratie optisch Distanz zu ihren linken Genossen. "Aalglatt" wurde immer häufiger zu einem Adjektiv, mit dem man besonders geschickt manövrierende Politiker des Establishments bedachte.

Ende der letzten Haarikonen?

Und heute? Sind in Österreich mit Erwin Prölls Kranzfrisur und Michael Häupls Oberlippenbart die letzten gewichtigen Haarikonen der politischen Arena verschwunden? Hat mit Sebastian Kurz nicht nur das Aalglatt, sondern gewissermaßen der männliche Bubikopf triumphiert?

Nicht ganz. Scheinen doch einige mit dem Glattheitsgebot zu hadern. Für Herbert Kickl (FPÖ), in politischen Lehrjahren immerhin Marx-Leser, ist das Ministeramt kein Grund, sich vom Sechstagebart zu verabschieden; Norbert Hofer (FPÖ) ließ während der Koalitionsverhandlungen sogar einen "Play-off-Bart" stehen.

Und auch SPÖ-Chef Christian Kern zeigte sich, sich nach verlorener Wahl frisch in Opposition wiederfindend, unrasiert bei einem Nick-Cave-Konzert. Vielleicht schielt er mit einem Auge ja auch zum britischen Labour-Chef Jeremy Corbyn. Mit seinem Vollbart gilt der zwar dem eigenen Parteiadel als linker Gottseibeiuns. Auf der Straße aber gewinnt er stetig an Zuspruch. Wahlen sagt man, würden immer noch dort entschieden. (Stefan Weiss, 20.4.2018)