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Die SPD-Basis braucht eine echte Wahl, findet Simone Lange.

Foto: Bertold Fabricius / Action Press / Picturedesk (

STANDARD: Sie treten am Sonntag bei der Wahl zur SPD-Vorsitzenden gegen Andrea Nahles an. Was hat Sie zur Kandidatur bewogen?

Lange: Ich habe mich sehr über den Bundesvorstand geärgert. Nach dem Rücktritt von Parteichef Martin Schulz wollte die Parteispitze – entgegen unserer Satzung – gleich Andrea Nahles als kommissarische Parteichefin einsetzen, obwohl sie nicht einmal zum Parteivorstand gehört.

STANDARD: Das wurde ja korrigiert. Olaf Scholz sprang ein.

Lange: Aber in der SPD lieben und leben wir Demokratie. Dazu gehört, wenn es um das höchste Amt der Partei geht, eine demokratische Wahl zu ermöglichen.

STANDARD: Warum kam es zu keiner Begegnung zwischen Ihnen und Frau Nahles?

Lange: Das müssen Sie Frau Nahles fragen. Ich hätte mir die Zeit natürlich genommen.

STANDARD: Die SPD-Spitze will das "Problem" offenbar aussitzen.

Lange: Ich darf mich und meine Ideen im Bundesvorstand erst am Samstag, also wenige Stunden vor dem Parteitag, vorstellen. Am Sonntag sollten beide Kandidatinnen nur zehn Minuten Redezeit zur Präsentation bekommen. Dagegen protestierte ich. Diese Vorgehensweise kann man beim höchsten Amt, das die Partei zu vergeben hat, nicht hinnehmen. Das sehen viele an der Basis auch so. Jetzt bekomme ich 30 Minuten.

STANDARD: Sie haben in ganz Deutschland an der Basis für sich geworben. Wie ist die Stimmung?

Lange: Viele haben das Gefühl, nicht mehr an den Entscheidungen der Spitze beteiligt zu werden. Sie erfahren oft nur aus den Medien davon. Da ist ein großes Bedürfnis, diese Entfernung aufzuheben. Die SPD lebt, ihr Puls schlägt wieder neu. Meine Kandidatur ist eine einmalige historische Chance. Wir müssen uns tatsächlich öffnen, und ich bin das Neue in Person. Ich binde die Basis der SPD ein.

STANDARD: Wie viel Prozent Zustimmung wäre bei der Wahl ein Erfolg für Sie persönlich?

Lange: Ich setze auf Sieg und will gegen Andrea Nahles gewinnen.

STANDARD: Warum bekommt die SPD so schlechte Wahlergebnisse?

Lange: Weil wir vor 15 Jahren einen Weg eingeschlagen haben, der der SPD geschadet hat. 1998 haben wir die Wahl noch mit 40,5 Prozent gewonnen, 20 Jahre später liegen wir bei der Hälfte. Die Linke hat sich in der Zeit verdoppelt, die Grünen haben auch zugelegt. Nun müssen wir den Mut haben, den falsch eingeschlagenen Weg zu korrigieren.

STANDARD: Sie meinen damit Gerhard Schröders Sozialreformen?

Lange: Ja. Im Jahr 2018 müssen wir feststellen, dass wir unsere ursprünglichen Ziele verfehlt haben. In Deutschland ist der Armutsstand so hoch wie noch nie.

STANDARD: Was wollen Sie ändern?

Lange: Es nützt nichts, nur an den Rändern zu reformieren, wir müssen Hartz IV, die Grundsicherung auf Sozialhilfeniveau, durch ein Grundeinkommen ersetzen, das Menschen Anreize bietet. Im aktuellen System wird sanktioniert und bevormundet, das entspricht nicht unserem Menschenbild. Im Koalitionsvertrag steht die Stärkung der privaten Altersvorsorge. Das ist doch das Gegenteil von solidarischer Gemeinschaft.

STANDARD: Auf welche Themen sollte die SPD noch stärker setzen?

Lange: Sie muss stärker für erneuerbare Energien eintreten und Meinungsführerin beim Thema Sicherheit werden, aber anders als die Union. Es braucht mehr Polizei und mehr soziale Arbeit.

STANDARD: Wie sähe Ihre Erneuerung der SPD aus?

Lange: Ich hinterfrage Ämterhäufungen und will Kommunalpolitiker stärker im Bund einbinden. (INTERVIEW: Birgit Baumann, 21.4.2018)