Dass Vorlesen schon ab der Geburt wichtig ist, bestätigt eine aktuelle Studie.

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Vorlesen ist gut für so vieles: Es fördert die Konzentrationsfähigkeit und steigert das Einfühlungsvermögen, es regt zum Denken an und auch die kindliche Fantasie. Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, verfügen zudem über einen reicheren Wortschatz. Und: Vorlesen hat auch das Potenzial, problematische Verhaltensweisen wie Aggression, Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsdefizite einzudämmen. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie aus New York. Ihr zufolge fördert das Vorlesen die soziale und emotionale Entwicklung von Kindern auf eine Art und Weise, die weit über das Erlernen von Sprache und frühen Lese- und Schreibfähigkeiten hinausgeht.

"Wir haben auf das Lesen aus vielen verschiedenen Perspektiven geschaut, aber ich weiß nicht, ob wir jemals auf diese Art und Weise über das Lesen nachgedacht haben", sagt Alan Mendelsohn. Er ist außerordentlicher Professor für Pädiatrie an der New York University School of Medicine und einer der Autoren der Studie "Vorlesen, Spielen und sozial-emotionale Entwicklung", die jetzt im Journal "Pediatrics" veröffentlicht wurde.

Video Interaction Project

Insgesamt arbeitete das Forscherteam mit Kindern aus 675 verschiedenen Familien zusammen. Es handelte sich um eine randomisierte Studie, bei der 225 Familien am sogenannten Video Interaction Project teilnahmen. Die anderen Familien dienten als Kontrollgruppe.

Kinder zwischen einem Monat und fünf Jahren, die am Projekt teilnahmen, erhielten Bücher und Spielzeug, wenn sie die New Yorker Kinderklinik besuchten. Die Eltern trafen sich regelmäßig mit einem Erziehungscoach, um über die beobachteten Entwicklungsschritte ihres Kindes zu sprechen. Daran anschließend wurden sie mit ihrem Kind etwa fünf Minuten lang auf Video gefilmt. Unmittelbar danach beobachteten sie gemeinsam die Aufnahme.

"Die Eltern sehen sich auf Videobändern, und es kann sehr aufschlussreich sein, wie ihr Kind auf sie reagiert, wenn sie verschiedene Dinge tun", sagte Adriana Weisleder, eine der Autorinnen der Studie, die eine Assistenzprofessur am Departement für Kommunikationswissenschaften an der Northwestern University innehat.

Förderung einkommensschwacher Familien

Das Video Interaction Project ist ein pädriatisches Programm, das in New York mit einkommensschwachen Familien und ihren Kindern von Geburt an zusammenarbeitet. Kinder, deren Familien am Projekt teilgenommen hatten, zeigen weniger Verhaltensauffälligkeiten wie Aggression, Hyperaktivität und Aufmerksamkeitsdefizite als die Kinder aus der Kontrollgruppe.

"Die Reduzierung der Hyperaktivität ist eine Reduzierung der klinischen Hyperaktivität", sagt Mendelsohn. Kinder, die in Armut aufwachsen, hätten ein höheres Risiko für Verhaltensprobleme in der Schule. Die Verringerung dieser Aufmerksamkeits- und Verhaltensprobleme ist laut Mendelsohn eine wichtige Strategie zur Verringerung von Bildungsunterschieden.

"Wenn Eltern mit ihren Kindern mehr lesen und mehr mit ihren Kindern spielen, haben die Kinder die Möglichkeit, über Charaktere nachzudenken, über die Gefühle dieser Charaktere nachzudenken", sagt er. "Sie lernen, Wörter zu verwenden, um Gefühle zu beschreiben, die sonst schwierig sind, und dies ermöglicht ihnen, ihr Verhalten besser zu kontrollieren, wenn sie herausfordernde Gefühle wie Wut oder Traurigkeit haben." (chrit, 23.4.2018)