Für Oliver Stefani müssen Autos auf den ersten Blick verständlich sein.

Foto: Skoda

Vison X: zum Teil schon Stefanis Handschrift.

Foto: Skoda

STANDARD: Wird das Škoda-Design noch schärfer als bisher? Wie aggressiv darf, wie konservativ muss ein Škoda aussehen? Und: Bleibt es bei der Philosophie der Designevolution statt -revolution?

Stefani: Škoda-Design darf sich, muss sich weiterentwickeln. Wir sind sehr erfolgreich mit dem, was wir heute auf der Straße sehen. Wir werden sehr erfolgreich sein mit dem, was kommt, das kann ich Ihnen jetzt schon versprechen. Darüber hinaus werden wir das Design weiterentwickeln. Da gibt es viele Facetten, viele Schrauben, an denen man drehen kann. Für uns ist es im Augenblick ganz wichtig, diese Schärfe nicht zu übertreiben, weil das ist auch ein bisschen kalt. Wir möchten gerne, dass Škoda emotionaler wird. Die Kaufentscheidung eines Škoda-Kunden muss nicht nur im Kopf, sondern auch im Herzen und im Bauch abgehen. Man muss das Auto wollen, begehren.

STANDARD: Bringen alternative Antriebskonzepte, speziell die Elektromobilität, neuen Schwung ins Automobildesign? Und wie gehen Sie damit um?

Stefani: Sehr kreativ. Es sind ja nicht nur Chancen, sondern auch Herausforderungen. Das fängt mit der Aerodynamik an, hängt mit der Sensorik zusammen; ein Elektrofahrzeug muss gekühlt werden und eine gewisse Aussage haben an der Front. Wir sehen da Chancen, unser Design weiterzuentwickeln und in der Suche nach der Lösung zu ganz neuen Vorschlägen und Ideen zu kommen. Ein sehr spannender, kreativer Prozess.

STANDARD: Denkt man die Studie Vision X in Richtung Serienmodell weiter, passt es nahtlos in die SUV-Range. Zeichnet sich nicht die berüchtigte Audi-Falle ab, dass bald alle Škodas gleich aussehen?

Stefani: Ü-ber-haupt nicht! Das kann ich ganz klar so sagen. Wenn wir uns die Fronten ansehen – für Kunden oft einer der Fixierpunkte, wo man Autos miteinander vergleicht -, dann können wir sagen, dass wir über die unsere Marke beschreibenden Designkriterien ganz eindeutig Škoda sind: über den Powerdome, die Haube und wie der Powerdome in den Grill hineinragt. Diese Verbindung ist typisch Škoda. Das Umfeld hingegen, das kann und muss ganz anders gestaltet werden. Ein anderes Designkriterium ist, dass wir beim Kodiaq die Nebelscheinwerfer anheben und SUV-mäßig unter den Hauptscheinwerfer tun. Beim Vision X haben wir das genau umgedreht und die Proportion total geändert: Das Tagfahrlicht mit dem Laufblinker ist oben, der Hauptscheinwerfer drunter. Sodass wir zwar den gleichen optischen Eindruck haben, das aber sehr individuell unterschieden haben. Auch die ganze Front ist deutlich anders, zum Beispiel ist das Fahrzeug viel aufrechter.

STANDARD: Warum gibt es keine Ausreißer mehr wie den Yeti mit eigenständigem Charakter?

Stefani: Wir haben andere Zeiten, das muss man leider so sagen. Wir haben Plattformen, die wir gemeinsam sharen, wir haben verschiedene Märkte mit verschiedenen Anforderungen, wir haben Kostenziele.

STANDARD: Aber die Plattformen sind ja hochgradig flexibel bei Radstand, Spurweite ...

Stefani: ... ja, aber es wird immer schwieriger, ein Unikat im Konzern zu haben. Das ist halt der Punkt. Das heißt aber nicht, dass das Design nicht so individuell sein kann, dass es so ein Fahrzeug gibt, wie der Yeti mal war.

STANDARD: Škoda ist geradezu ein Synonym für Vernunftautos, das wiederum ist ein Synonym für Langeweile. Warum nicht einmal ein Sportwagen, ein Coupé, Cabrio?

Stefani: Wir denken über ganz viele Sachen nach. Es war in dem Zusammenhang mal die Frage: Was ist mein Traumwagen? Da hab' ich gesagt: Mein Traumwagen ist, dass wir einen Traumwagen für Škoda machen. Ein Auto, das sich ein kleiner, sechs- oder zehnjähriger Junge oder ein kleines Mädchen als Poster übers Bett hängt. Aber das sind Projekte, die weit, weit in der Zukunft liegen. Obwohl, ich glaube, Škoda ist bereit dafür.

STANDARD: Anders gefragt: Wie weit lässt sich die Marke modellmäßig spreizen?

Stefani: Skoda ist sehr gut aufgestellt, hat eine breite Palette. Ich kann Ihnen sagen, dass der Herr Bernhard Maier (Škoda-Chef, Anm.) noch eine Menge Ideen hat. Sie werden die eine oder andere Überraschung erleben.

STANDARD: Was ist am Škoda-Design typisch tschechisch?

Stefani: Typisch tschechisch ist die Idee des böhmischen Kristalls, dieser Glas-, Handwerkskunst. Das ist etwas, das wir in vielen Flächenlösungen eingebaut haben. Bestimmte Flächenübergänge, bestimmte Linien, diese Präzision, die in den Kanten steckt.

STANDARD: Wie eigenständig ist man als Designchef einer VW-Marke, und wie weit muss man sich Konzernvorgaben unterwerfen?

Stefani: Erst mal ist alles denkbar, alles machbar. Wir müssen uns nur innerhalb der Marken abgrenzen, damit wir kein Overlapping haben. Dazu hat jede Marke ihre eigenen Designkriterien, die auch regelmäßig präsentiert und abgestimmt werden. Darüber hinaus sind die Designfreiheiten so groß, wie man sie möchte.

STANDARD: In den Interieurs ziehen massiv die Themen Vernetzung und Lichtgestaltung ein, auch neue Bedienansätze.

Stefani: Wir schenken dem Thema Licht viel mehr Raum. Ich kann mit Licht verschiedene Stimmungen, Szenarien erarbeiten. Ich kann im Exterieurdesign zeigen: Fährt das Auto jetzt autonom oder nicht. Ich kann bestimmte Zustände des Fahrzeugs deutlich machen. Man sagt einerseits: Licht ist das neue Chrom. Andererseits hat es auch hohe Funktionalität. Das ist ein ganz spannender Prozess, diese Dinge jetzt zu erarbeiten und für den Kunden zugänglich zu machen.

STANDARD: Wie löst man die Aufgabe, immer komplexere Inhalte über kluges Design selbsterklärend zu vermitteln?

Stefani: Ein ganz wichtiges Thema, das wir auch bereits im Fokus haben: Wie können wir die Informationen im Fahrzeug so clustern, dass wir dem Kunden immer genau das Richtige zur Verfügung stellen? Meiner Meinung nach sind wir alle gerade dabei, so einen Overkill zu machen. In meiner Jugend gab es eine Zeit, da gab es Stereoanlagen, da hat man die gekauft mit den meisten Knöpfen, weil das cool war. Heute sind wir ganz anders unterwegs. Es ist jetzt genau die Aufgabe, den Modus zu finden: Wie bediene ich das Auto eigentlich? Was brauche ich, was macht das Auto aktiv, wenn ich es brauche? Wenn ich nur reduziere, ist's vielleicht auch nicht so gut. Man muss die Balance finden. Meiner Meinung nach sucht die gesamte Industrie danach, nach dem richtigen Weg. So richtig hat das auch noch keiner gefunden. (Andreas Stockinger, 23.4.2018)