Günther Brandstetter beschäftigt sich von Berufs wegen mit Gesundheit. Mittlerweile schmiert er sich auch das Gesicht mit Sonnencreme ein.

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Die App "Sunface" macht Selfies, die einen in eine Zukunft ohne Sonnenschutz blicken lassen.

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Ich bin ein Kind der 1970er-Jahre. Ab der 3. Klasse Volksschule versprach der Sommer die große Freiheit. Mama war alleinerziehend, musste arbeiten, meine Schwester und ich blieben allein zu Hause. Wir spielten Räuber und Gendarm mit den Gschroppn aus der Nachbarsiedlung, gründeten Banden, bauten Lager, ließen selbstgebastelte Schiffchen den Bach entlangschippern. Gegen die Hitze halfen Doppellutscher, Brickerl und das legendäre Rumfassl. Sonnencreme gab es, nur verwendet haben wir sie nicht.

Sicher, der Körper wurde ab und zu auch eingeschmiert. Häufig nur am Wochenende, da fuhr Mama mit uns an den See. Sie schwörte auf "Tiroler Nussöl" und "Tschamba Fii – bräunt wie noch nie". Das Ergebnis war meist ziemlich schmerzhaft: ein veritabler Sonnenbrand. Das Liegen auf dem Rücken für mindestens eine Woche unmöglich. Erst als sich die Oberhaut in großen Fetzen runterkletzeln ließ, war das Schlimmste ausgestanden.

Der 26. April 1986 veränderte alles: An diesem Tag explodierte der Reaktor in Block 4 des Kernkraftwerks Tschernobyl. Diesen Sommer verbrachte ich als Spätpubertierender nicht auf Liegewiesen und romantischen Plätzen im Grünen, sondern überwiegend daheim. Nur nicht rausgehen, im Freien wartet der Tod, stand in der Zeitung. Die einjährige Sonnenkarenz zeigte Wirkung, sie verwandelte mich in ein Topfennockerl.

Porträt mit Melanom

Auch die Sommer danach verbrachte ich nicht mehr damit, die Sonne anzubeten. Meine Haut reagierte zunehmend sensibel, also begann ich, meinen Körper einzuschmieren. Mittlerweile setze ich auf Lichtschutzfaktor 50. Gesicht, Arme und Hände vergesse ich allerdings gern. Die werden ohnehin schnell braun, sind an die Sonne gewöhnt, denke ich mir. Doch die Haut vergisst nichts. Das hat mir ein Blick in die Zukunft klargemacht.

In die dermatolgische Glaskugel blicken.
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Wie das geht? Die kostenlose App "Sunface" macht Selfies, die mich um ein Vierteljahrhundert gealtert zeigen. Es gibt mehrere Prognosen: meine Haut mit und ohne UV-Schutz (Bild 1. und 2).

Bild 2: Hautprognose ohne UV-Schutz.
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Wirklich stimmig ist das Ergebnis nicht, denn in 25 Jahren werde ich als 73-Jähriger hoffentlich in Pension sein. Dass ich dann tatsächlich noch so frisch wie auf dem ersten Bild aussehe, ist völlig ausgeschlossen. Daran kann auch ein Sonnenschutzfaktor 50 nichts ändern.

Zum Glück hab ich noch nie ein Solarium besucht.
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Eines weiß ich aber ganz sicher: Ich möchte nicht so aussehen, als würde ich mich jede Woche ins Solarium legen (3. Bild.). Als sich in meinem Gesicht ein Melanom breitmacht, finde ich die Sache gar nicht mehr lustig (4. Bild).

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Was das digitale Spielzeug noch bietet? Infos, wie Hautkrebs und seine Vorstufen erkannt werden können. Auch mit Tipps für den richtigen Sonnenschutz geizt die Anwendung nicht. Das Beste ist jedoch: Ich vergesse jetzt nicht mehr, mein Gesicht einzucremen. (Günther Brandstetter, 22.4.2018)