Zoran Music (1909-2005) in Paris im Jahr 1989. Die meiste Zeit lebte Music aber in Venedig.

Foto: Ferdinand Neumüller, Klagenfurt

Wien – Es sind die Bäume, die einen ganz still werden lassen. Berührt, ja fast ein bisschen erschrocken steht man vor einem Triptychon aus knorrigen Eichen, die sich aus einem trüben Dunst, aus einem gesprenkelten, fleckigen Nichts recken. Da ist keine stolze Krone und auch kein Himmel, sondern nur verrauchter Nebel, dunkle Borke auf ungrundierter brauner Leinwand. Sich windende Stämme, die sich menschlichen Gestalten anverwandeln, Äste, die sich wie Arme suchend nach oben strecken.

Es sind Fragmente einst stolzer Korkeichen, Eindrücke nach einem Waldbrand an der Côte d'Azur, die der Maler Zoran Music 1972 und 1973 in einer Bildserie verarbeitet hat. Allerdings können die Korkeichen den Flammen widerstehen, was dem Vergänglichkeitsmotiv, den gestürzten Bäumen und den aus den Ballen wuchernden Wurzeln, etwas Hoffnungsvolles verleiht. Poesie der Stille heißt die große, retrospektiv angelegte Music-Ausstellung im Leopold-Museum.

Zoran Music: Triptychon (Pflanzenmotiv, 1972 und Pflanzenmotiv, 1973 und Jahreszeitenwechsel, 1973)
Foto: Ditesheim & Maffei Fine Art, Neuchâtel Bildrecht, Wien, 2018

In den Pflanzen Gesten zu erahnen, das existenzielle Thema dieser Arbeiten zu erkennen und davon auch ergriffen zu werden hat mit der Biografie des 1909 in Gorizia (damals Österreich-Ungarn, heute Italien) geborenen und 2005 verstorbenen Künstlers zu tun. 1944 wurde Zoran Music, der mit italienischen Antifaschisten sympathisierte, in Venedig von der Gestapo unter Spionageverdacht verhaftet. Die Verdächtigungen erwiesen sich zwar als haltlos, aber als Music dem Druck, sich SS-Hilfskräften anzuschließen, nicht nachgab, wurde er nach Dachau deportiert.

Von fast dokumentarischer Sachlichkeit sind die Zeichnungen, die er heimlich von dem Grauen des Konzentrationslagers fertigt. Seine Notizen sind von gleicher Knappheit, umso intensiver vermittelt sich darin das Unbeschreibliche der täglichen Schreckensroutinen: "Wir sind in Stockbetten mit drei Etagen gelegen. Oberhalb und unterhalb sind immer wieder Leute gestorben, die man in der Früh aus der Baracke hinausbrachte. Nackt."

Moving Movies

Es sind Blätter, die er erst viele Jahre später zeigen wird. Ausgelöst von Kriegsbildern aus Vietnam, die ihn den Glauben verlieren lassen, solcher Horror würde sich nicht wiederholen, beginnt er den Zyklus Wir sind nicht die Letzten. Ein Vierteljahrhundert hatte Music verdrängt – ja, musste er das Erlebte und die Bilder der Toten verdrängen. Die Rückkehr nach Venedig 1945 war eine Flucht vor der Erinnerung.

Seine Malerei rettet sich in verträumte, zarte, pastellige Bilder von Sehenswürdigkeiten und dümpelnden Booten. Seine Suchbewegungen (die Schau erschöpft das Auge leider mit zu viel Frühwerk) führen ihn in die Landschaft: in die kargen, trockenen Gegenden Dalmatiens und Mittelitaliens, in den slowenischen Karst und zu den gefälligen bunten Pferdchen, seinen "Cavallini", mit denen er bekannt wird und die ihm auch einigen kommerziellen Erfolg einbringen.

"Pferdchen", 1951
Foto: Lah Contemporary, Slovenia/Nada Žgank Bildrecht, Wien, 2018

Verdrängt und unbewusst

Blaue, orange und violette Tiere, drall und kompakt, mit mütterlichen Reiterinnen samt Sonnenschirmchen obenauf. Staubige, melancholische "Traumlandschaften" oder "Wurzeln", nennt Music diese Schutzräume. Innere Landschaften, die sich immer mehr in abstrakte Formen und Kürzel auflösen. Die Hügel rund um Siena und jene Umbriens werden grafischer und geben immer mehr ihre latenten Bildbotschaften preis: Berge sich türmender Leichen. Vergrabenes drängt noch unbewusst an die Oberfläche.

Stumme Anklage: In der Serie "Wir sind nicht die Letzten" erinnert sich Zoran Music an Verdrängtes.
Foto: Lah Contemporary, Slovenia / Nada Zgank, Bildrecht, Wien, 2018

Im Saal mit den Gemälden der Serie Wir sind nicht die Letzten könnte man eine Stecknadel fallen hören. Worte, so befürchtet man, könnten den Ausdruck dieser Bilder banalisieren. Die Toten kehren zurück und erhalten ein Gesicht. Stumme Anklagen. Wie zum Schrei geöffnete Münder. Sich auflösende Körper. Leichname verwachsen mit der Erde, verwest, zu entmenschlichten Haufen gestapelt. Leichenberge, die etwas Abwesendes vergegenwärtigen. Es ist eine aufwühlende Erfahrung, aus der man zurück hinaus ins Sonnenlicht tritt. (Anne Katrin Feßler, 20.4.2018)