Bei der Aufteilung eines Nachlasses stehen Erben Pflichtteile zu. Die Neuregelung des Erbrechts trifft auch Privatstiftungen. Bei der Anrechnung von Schenkungen bleibt es kompliziert.

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Das seit 1. Jänner 2017 anzuwendende Erbrechtsänderungsgesetz sieht vor, dass nur mehr die Kinder und der Ehegatte oder eingetragene Partner, nicht mehr hingegen die Eltern des Verstorbenen pflichtteilsberechtigt sind. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist in Geld zu leisten, kann aber auch durch Zuwendungen des Verstorbenen zu Lebzeiten oder von Todes wegen gedeckt werden. Der Gesetzgeber hat durch die Reform klar gestellt, dass die Einsetzung eines Pflichtteilsberechtigten als Begünstigter einer Privatstiftung auf den Pflichtteilsanspruch anzurechnen ist, was insbesondere für eine im Wege der Privatstiftung gestaltete Unternehmensnachfolge hilfreich sein kann.

Praxisrelevant ist daneben auch die Frage, wie bei der Ermittlung der Höhe des Pflichtteils jenes Vermögen zu berücksichtigen ist, das der Verstorbene in eine Privatstiftung eingebracht hat, und zwar, wenn der Pflichtteilsberechtigte gerade nicht Begünstigter der Privatstiftung ist. Häufig will der Stifter einer Privatstiftung nämlich das der Stiftung gewidmete Vermögen vor Pflichtteilsansprüchen schützen; dies etwa aufgrund eines Familienkonflikts oder weil zu einem leiblichen Kind keine persönliche Beziehung besteht. Reicht die Verlassenschaft zur Deckung des Pflichtteils nicht aus, kann grundsätzlich der verkürzte Pflichtteilsberechtigte vom Geschenknehmer die Zahlung des Fehlbetrags verlangen.

Der Gesetzgeber hat sich Rechtsprechung und Lehre angeschlossen und klargestellt, dass lebzeitige Vermögenswidmungen an eine Privatstiftung als Schenkungen unter Lebenden auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten bei der Ermittlung des Pflichtteils rechnerisch hinzuzuschlagen sind, was den Geldpflichtteil vergrößert. Da die Privatstiftung selbst nicht pflichtteilsberechtigt ist, greift eine gesetzliche Zweijahresfrist. Vermögenswidmungen des Verstorbenen an Privatstiftungen sind demnach nur dann hinzuzurechnen, wenn sie in den letzten beiden Jahren vor seinem Tod erfolgt sind.

Echtes und unechtes Opfer

Für den Beginn des Fristenlaufs – wie auch für den maßgeblichen Zeitpunkt der Bewertung der Schenkung – stellt der Gesetzestext darauf ab, dass die Schenkung "wirklich gemacht" wurde. Nicht geklärt hat der Gesetzgeber aber die Frage, unter welchen Voraussetzungen das Vermögensopfer erbracht ist – gemäß der Gesetzesmaterialen jedenfalls dann nicht, wenn sich der Stifter in der Stiftungsurkunde ein Widerrufsrecht oder andere Stifterrechte vorbehalten hat, die zum Rückerwerb des Stiftungsvermögen führen können.

Ob und in welchem Umfang eingeschränkte Widerrufs- oder sonstige Einflussrechte das Vermögensopfer hindern, ist unklar. Behält sich der Stifter ein bloßes Recht zur Änderung der Stiftungserklärung vor, soll gemäß einer jüngsten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH 22.3.2018, 2 Ob 98/17a) von der Erbringung des Vermögensopfers auszugehen sein, wenn insbesondere der Stifter das Änderungsrecht nur im Einvernehmen mit einem Dritten ausüben kann (in dieser Rechtseinräumung kann aber wiederum eine Schenkung an den Dritten erblickt werden, die unbefristet anzusetzen ist, wenn der Dritte pflichtteilsberechtigt ist). Einflussmöglichkeiten des Stifters auf die Bestellung der Stiftungsorgane sollen hingegen das Vermögensopfer nicht hindern.

"Bloßes Nutzungsrecht"

Der Oberste Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch wiederholt ausgesprochen, dass ein Vermögensopfer nicht vorliegt, wenn der Geschenkgeber alle Nutzungen der geschenkten Sache in Form eines materiellen Fruchtgenussrechts an Liegenschaften zurückbehält. In den Gesetzesmaterialien zum Erbrechtsänderungsgesetz wird generell das Vermögensopfer durch ein "bloßes Nutzungsrecht" nicht ausgeschlossen. Welche Nutzungsrechte gemeint sind, hat der Gesetzgeber offen gelassen. Gestaltungen in der Stiftungserklärung sind daher weiterhin mit Rechtsunsicherheit behaftet und müssen im Einzelfall sorgfältig ausgelotet werden.

Als Ausnahme von der Hinzurechnung sieht das Gesetz wie bisher insbesondere Schenkungen vor, die der Verstorbene zu gemeinnützigen Zwecken gemacht hat. Vermögenswidmungen an Privatstiftungen zu gemeinnützigem Zweck bleiben somit bei der Berechnung des Pflichtteils außer Betracht. Der Erblasser kann demnach gezielt Spenden zu Lasten der Pflichtteilsberechtigten tätigen.

Nach neuer Rechtslage ist auch die Einräumung einer Stellung als Begünstigter einer Privatstiftung, soweit ihr der Verstorbene sein Vermögen gewidmet hat, als Schenkung für die Ermittlung des Pflichtteils hinzuzurechnen. Dies kann für Pflichtteilsberechtigte insbesondere von Interesse sein, wenn Vermögenswidmungen an die Privatstiftung wegen Ablaufs der Zweijahresfrist unberücksichtigt bleiben müssen – eine Doppelberücksichtigung einerseits als Schenkung an die Privatstiftung und andererseits als Einräumung der Begünstigtenstellung ist gemäß der Gesetzesmaterialien jedenfalls ausgeschlossen.

Stellung der Begünstigten

Offen bleibt jedoch die Frage, wie die Begünstigtenstellung zu bewerten ist. Laut der Materialen ist jedenfalls darauf abzustellen, welche Ausschüttungen bis zum Erbfall tatsächlich geleistet wurden und welche nach dem Erbfall erhalten werden, wovon nicht nur klagbare Ansprüche, sondern auch solche, bei denen nur die Modalität der Ausschüttung im Ermessen des Stiftungsvorstandes steht, erfasst sein sollen. Auch der Einfluss, den der Begünstigte nach der Stiftungserklärung auf die Ausschüttungsentscheidung hat, soll einbezogen werden.

Hat der Stifter Personen, die nicht dem Kreis der Pflichtteilsberechtigten angehören, zu Begünstigten der Privatstiftung bestellt, ist ebenso fraglich, wann die Zweijahresfrist beginnt, nach deren Ablauf eine Schenkungsanrechnung ausgeschlossen ist. Entscheidend ist, wann die Einräumung der Begünstigtenstellung "wirklich gemacht" ist. Dies muss im Sinne einer betriebswirtschaftlichen Bewertung letztlich von der Ausgestaltung der Begünstigtenstellung abhängig sein, insbesondere davon, ob der Stifter sich diesbezüglich ein Änderungsrecht vorbehalten hat.

Nach bisherigem Recht war fraglich, ob der Pflichtteilsberechtigte einen Auskunftsanspruch auch gegenüber dem Geschenknehmer hat. Durch die Reform wurde ein Auskunftsanspruch normiert. Pflichtteilsberechtigte können somit nun von der Privatstiftung als auch von den Begünstigten Auskunft verlangen. Offen bleibt aber der Umfang dieses Auskunftsanspruches. Muss etwa die Privatstiftung Auskunft darüber geben, wer nach der Stiftungszusatzurkunde Begünstigter ist und welche Zuwendung gleistet wurden bzw. in Zukunft zu erwarten sind?

Diese und andere Rechtsfragen zu lösen, um Sicherheit in der Rechtsanwendung zu erlangen, bleibt Aufgabe von Wissenschaft und Praxis. (Carolin Ziegler, 20.4.2018)