Bild nicht mehr verfügbar.

Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache stehen beim Plan, die Mindestpensionen anzuheben, vor europarechtlichen Problemen.

Foto: reuters

Wien – Ganz so eilig hat es Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) nun nicht mehr. Zuletzt hatte er – nach entsprechenden Vorstößen der SPÖ – noch erklärt, sich für eine bereits ab 1. Jänner 2019 wirksame Anhebung der Mindestpensionen einzusetzen. Angesichts der diversen Probleme rund ums Budget war davon am Mittwoch nach dem Ministerrat keine Rede mehr. Erst ab 2020 sollen Menschen mit 40 Beitragsjahren eine Mindestpension (Ausgleichszulage) von 1200 Euro bekommen. Für Paare sind 1500 Euro geplant.

Strache geht davon aus, dass in Summe 40.000 Personen profitieren würden. Für sie würde die Anhebung eine deutliche Verbesserung bedeuten. Derzeit liegt die Mindestpension für Alleinstehende bei nur 909,42 Euro und für Paare bei 1363,52 Euro.

Weitere Verbesserung "prüfen"

Im Gespräch ist auch eine weitere außertourliche Pensionserhöhung um 50 Euro für Menschen, die zumindest 30 Jahre gearbeitet haben. Hier gibt es aber noch keine Festlegung. Eine entsprechende Anpassung werde "im Rahmen der budgetären Möglichkeiten geprüft", heißt es lediglich dazu im Ministerratsbeschluss. Es gebe noch unterschiedliche Schätzungen über die Kosten und die Zahl der Profiteure, erklärte Strache. Schon die letzte rot-schwarze Regierung hatte für Pensionisten mit mehr als 30 Beitragsjahren eine Sonderregelung beschlossen. Sie bekommen aktuell 1022 Euro.

Geht es nach Strache und Kanzler Sebastian Kurz, sollen also vor allem Österreicher, die lange ins System eingezahlt haben, belohnt werden. Experten weisen aber darauf hin, dass von einer solchen Reform auch viele EU-Zuwanderer profitieren könnten.

Keine Sozialhilfeleistung mehr

Wie das sein kann? Bisher wurde die Ausgleichszulage als Sozialhilfeleistung gewertet. Diese muss nach EU-Recht und Judikatur des europäischen Gerichtshofes nicht ins EU-Ausland exportiert werden. Macht man die Ausgleichszulage aber von der Zahl der Beitragsjahre abhängig, wird sie zu einer Versicherungsleistung, wie die Arbeitsrechtler Franz Marhold und Wolfgang Mazal auf STANDARD-Anfrage bestätigen.

"Dadurch wird sie exportpflichtig. Das ist die überwiegende Meinung in Fachkreisen", sagt Marhold. Die Folge: Jeder EU-Bürger, der zumindest ein Jahr in Österreich gearbeitet hat und mit seinen im Ausland erworbenen Versicherungsmonaten auf 40 Jahre kommt, könnte die erhöhte Ausgleichszulage beanspruchen. Das wäre vor allem für osteuropäische Staatsbürger, in deren Heimatstaaten die Pensionen noch deutlich niedriger sind, potenziell interessant.

Bisher spielen Zuwanderer bei der Ausgleichszulage jedenfalls kaum eine Rolle. Unter den 94.362 Beziehern gab es im Jänner nur 1.300 aus EWR-Staaten, die in Österreich wohnhaft sind, aber eigentlich nur eine ausländische Pensionsleistung unterhalb der Ausgleichszulage haben.

"Nationalstaatliches Denken"

"Offensichtlich ist Schwarz-Blau so im nationalstaatlichen Denken gefangen, dass die Regierung außer Acht lässt, welche europarechtlichen Implikationen dieser populistische Pensionspallawatsch hat", kritisierte Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker, der als Erster auf die möglichen Probleme hinwies.

Dass es sich um ein rechtlich heikles Thema handelt, ist offenbar auch der Regierung bewusst. Im Ministerratsbeschluss steht, dass eine gesetzliche Ausgestaltung "insbesondere im Hinblick auf europarechtliche Aspekte" erfolgen müsse. Auch im Regierungsprogramm findet sich dazu bereits ein Passus. Dort wird angeregt, einen "speziellen Förderfonds" einzurichten, über den die erhöhte Ausgleichszulage ausbezahlt werden soll, weil dann nur dieser Fonds "potenziell exportpflichtig" wäre.

Umgehungskonstruktion

Für Marhold würde eine solche Umgehungskonstruktion aber am Problem nichts ändern, wie er meint. Sein Kollege Mazal, von dem sich die ÖVP und Parteichef Sebastian Kurz bei anderen Fragen (etwa bei der Familienbeihilfe) gerne beraten lassen, hätte noch einen anderen Vorschlag. Man könnte die erhöhte Mindestpension nicht an die Beitragsjahre, sondern an die Steuerleistung koppeln. Wer also viel oder lange Steuern gezahlt hat, hätte einen Anspruch. Somit läge keine Versicherungsleistung vor, argumentiert er.

Auf dem Tapet hat die Regierung auch noch weitere Verschärfungen im Bereich der Sonderpensionen im staatlichen und halbstaatlichen Bereich. Explizit aufgezählt wurden von Kurz und Strache Nationalbank, Arbeiterkammer, die Stadt Wien und die Sozialversicherung. Details dazu gibt es bisher aber noch nicht. Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) solle nun prüfen, welche derartigen "Privilegien" es noch gibt. (Günther Oswald, 18.4.2018)