Intime Kenner der österreichischen Fremdengesetze können wahrscheinlich nicht einmal die Eingangshalle des Justizpalasts am Wiener Schmerlingplatz füllen. Den wirklichen Durchblick haben nur wenige. Kaum ist eine Reform durch, müssen den frischgedruckten Gesetzesbüchern bereits Zusatzblätter über wieder neue Regelungen beigelegt werden. Vor allem das Asylrecht wurde in den vergangenen zehn Jahren öfter novelliert als jede andere rechtliche Materie. Und zwar nicht nur in Österreich, sondern auch in den meisten Ländern der EU. Es gibt sogar professionelle Anleitungen, die Juristen dabei helfen sollen, das so entstandene Flickwerk zu durchschauen.

Europäischer Schulterschluss

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hatte also völlig recht, als er unlängst bei einem Besuch der Landespolizeidirektion Tirol sagte: "Wir brauchen auf europäischer Ebene einen mutigen und großen Wurf beim Asylthema." Das Asyl- und Fremdenrechtspaket, das Kickl am Mittwoch im Ministerrat einbringen wird, trägt erstmals seine Handschrift. Und Fans einer weiteren Verschärfung für Asylwerber dürften nicht enttäuscht werden, wie in den vergangenen Tagen durchgesickerte Kapitel zeigen.

Das Problem dabei ist – und war es teilweise auch schon bei Gesetzesnovellen seiner Vorgängerinnen und Vorgänger -, dass die Grundsätze der Genfer Flüchtlingskonvention immer weiter in den Hintergrund gerückt werden. Für Flüchtlinge, die wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Gesinnung ihre Heimatländer verlassen mussten, wird es immer schwieriger, einen sicheren (Übergangs-)Platz zu finden. Menschen, die in Österreich Zuflucht suchen, wird prinzipiell nicht mehr über den Weg getraut, weil die Politik sich an denen orientiert, die das System der Solidarität betrügen, ausnützen und die auch zur Bedrohung werden können.

840 Euro pro Kopf abknöpfen

Menschen, die auf der Flucht alles verloren haben, 840 Euro pro Kopf (also auch pro Kind) für deren Grundversorgung abzuknöpfen, ist ein Gedanke, der auch Schleppern eingefallen sein könnte. Ob es dieses Finanzierungsmodell tatsächlich in den Gesetzesentwurf schafft, wird sich zeigen. In einem ersten Papier war es jedenfalls enthalten – mit dem Zusatz, dass nur bei Flüchtlingen abkassiert werden soll, die Bargeld dabeihaben.

Kickls Ansinnen, dass Ärzte und Krankenhäuser über die Dauer und das Ende einer Behandlung von Asylwerbern Auskunft erteilen sollen, damit niemand mit eingegipstem Bein untertauchen kann, wird die Begutachtung kaum überleben. Vielleicht zählt dieser unmissverständliche Angriff auf die ärztliche Verschwiegenheitspflicht aber auch nur zu den vorsorglich übertriebenen Forderungen, auf die später großzügig verzichtet wird. Grundsätzlich ist die Asylpolitik der türkis-blauen Regierung von zwei Trends gekennzeichnet. Private Hilfsorganisationen werden finanziell ausgehungert und massiv zurückgedrängt, der Staat zentralisiert mit harter Hand die gesamte Abwicklung.

Mut muss bezweifelt werden

Dass das "mutig" – so wie es Kickl sein möchte – ist, muss heftig bezweifelt werden. Mutig wäre, wenn der rechte Innenminister am Vorabend der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft seine Abneigung gegenüber linken sozial engagierten Institutionen überwinden würde, um vorbehaltlos den "großen Wurf" vorzubereiten. (Michael Simoner, 17.4.2018)