"Krone"-Kritik an Renate Brauner kommt selten sachlich, meist untergriffig daher – und sie ist nicht die einzige Betroffene.

Foto: APA / Pfarrhofer

Am vergangenen Wochenende war es wieder so weit. Die "Kronen Zeitung" deckte auf: "Überall Vertraute, das Netzwerk der Renate Brauner", mit der Erklärung: "Ablösekandidatin hat überall ihre Finger im Spiel". Überall habe die Wiener Finanzstadträtin und Häupl-Vertraute ein "Netz voller Vertrauter, das sie sich in den vergangenen Jahren machiniert hat".

Damit keine Missverständnisse aufkamen, bekam Brauner auch noch "Post von Jeannée", der genüsslich über das Hinterteil der Politikerin und das damit verbundene "Sitzfleisch" herzog. Nach der Devise: Tiefer geht immer. Zwei Seiten dahinter: ein halbseitiges Inserat der Wiener Linien. Eine weitere Seite dahinter: wieder ein halbseitiges Inserat, diesmal gleich direkt von der Stadt Wien geschalten – man sucht Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen.

Unbestechlich

Einer der größten Irrtümer der Ära Michael Häupl war zu glauben, man könne, indem man die "Kronen Zeitung" großzügig finanziell durch Inserate und Beilagen fördert, sich damit (massen)mediales Wohlwollen für die eigene Politik erkaufen. Und eines der größten Versäumnisse war es, diese Praxis nicht einzustellen, nachdem sich herausgestellt hat, dass die "Krone" trotz alldem keine Veranlassung sah, gewisse, ihr nicht genehme Stadträtinnen "runterzuschreiben". Da ist sie absolut unbestechlich.

Seit Jahren kampagnisieren das Blatt und sein Online-Ableger gegen bestimmte "linke" Wien-Politikerinnen. Wobei "links" durchaus als Schimpfwort zu verstehen ist. Feministinnen, "Gutmenschen", "Ausländer-Freunde" – so ungefähr sind die Feindbilder abgezirkelt. Kritik kommt selten sachlich, oft untergriffig und persönlich daher. Die dazu passenden Fotos werden wohl nach dem Kriterium "maximale Unvorteilhaftigkeit" ausgesucht.

Größeres Problem

Nun könnte man argumentieren, dies sei ja wohl ein Einzelproblem einer Politikerin, und "if you can't stand the heat, get out of the kitchen" – um im Bild zu bleiben. Das wird dem Problem allerdings nicht gerecht: Kritik an Politikerinnen, Managerinnen, Frauen, die im Fokus der Öffentlichkeit stehen, ist selbstverständlich erlaubt, legitim, notwendig – wie immer man das sehen mag.

Wenn die Kritik allerdings darauf abzielt, eine Frau auf sexistische und frauenverachtende Weise herabzuwürdigen und ihr Äußeres zu verhöhnen und dies noch dazu unwidersprochen bleibt, bekommen wir ein größeres Problem. Denn viele gescheite, gut ausgebildete, talentierte Frauen werden sich gut überlegen, ihren Platz in der Öffentlichkeit zu beanspruchen, wenn diese Art von "Kritik" eine Art Common Sense ist.

Kein Kommentar

Im Falle der Wiener Stadtregierung war es nämlich nicht nur Brauner, fast die gesamte weibliche Riege der Stadträtinnen war und ist von frauenverachtender Kritik betroffen. Gegen Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger trieb es die "Krone" nach Bekanntwerden der höchst kritisierenswerten Esoterikaffäre rund ums Krankenhaus Nord besonders bunt: Eine Hellseherin wurde zur Zukunft der damalss Noch-Stadträtin befragt. Ihre Vorgängerin Sonja Wehsely wurde wegen ihrer Outfits und ihrer Stimme verspottet. Die Wiener Grünen-Chefin Maria Vassilakou wiederum bekam es von der ÖVP-Simmering sexistisch ab. Dort bastelte man ein Plakat und verbreitete es via Facebook: "Bei der (Foto Vassilakou) will keiner einparken!"

Häupl selbst hat nur selten dazu ein wenig gegrummelt, meist hat er die Attacken gegen den weiblichen Teil seines Teams unkommentiert stehen lassen. Gegenüber (sachlicher) Kritik in anderen Medien zeigte man sich dagegen oft feinnervig verstimmt. Erst nach dem Abgang von Gesundheitsstadträtin Sandra Frauenberger beklagte Häupl vage die "mediale Kampagne" gegen sie – reichlich spät. Sein Nachfolger Michael Ludwig schweigt ebenfalls. Überdies hat der Wiener SPÖ-Chef und künftige Bürgermeister offenbar vor, am bisherigen 50/50-Grundsatz der Rathaus-SPÖ zu rütteln. Genderparität bei der Besetzung der Stadtratposten, sagte er vor kurzem dem STANDARD, sei "nicht in Stein gemeißelt".

Nach #MeToo und "Because it's 2018" klingt diese Ansage doch einigermaßen erstaunlich. Noch erstaunlicher: Offenbar findet auch niemand sonst in der SPÖ etwas dabei, zumindest sind keine lautstarken Proteste überliefert. Inzwischen sind fast alle lästigen "Weiber", wie sie SPÖ-intern von ihren Gegnern genannt werden, weg. Oder im Abgang begriffen. Was will man(n) mehr. (Petra Stuiber, 19.4.2018)