Koffergeschichten gehören zur Kleinform im Figurentheater, bei der der aufgeklappte Koffer als Bühne und sein Inhalt als Geschichtenanregung dienen. Genau so betreibt es Regisseurin Jacqueline Kornmüller nun fürs Radio. Sie hat 30 verwaiste Koffer, Taschen und Rucksäcke mit Dingen befüllt, die in der Notschlafstelle VinziRast in den letzten 15 Jahren liegengeblieben sind, und sie Autorinnen und Autoren ausgehändigt, die daraufhin ihre persönlichen Koffergeschichten niedergeschrieben haben. Täglich sind zwei davon auf Ö1 zu hören (6.56 und 21.55 Uhr).

Franz Schuh hat in einem roten Rucksack Anregungen gefunden, um über den Niedergang der Zeitungslandschaften zu schwadronieren (Vom Bio-Händler zum IS-Killer). Und er besticht mit Mafia-Wissen. Denn die ebenfalls miteingepackte Pilotenbrille veranlasste ihn zur Behauptung, dass es bei der Mafia eine eigene Sonnenbrillenabteilung gäbe. Das ist vermutlich Schwachsinn, aber dennoch eine vergnügliche Vorstellung. "Mafia Shades" und Ghettobrillen gibt es ja auch.

Passenderweise enthält der Rucksack auch ein Messer – damit wären die Zutaten für eine besonders saftige Story beisammen. Die müssen wir uns beim Zuhören selber stricken, denn Schuh tut den Teufel, hier einfach eins und eins zusammenzuzählen. Das Rohe, Fragmentarische macht auch den Charme der jeweils von Erika Pluhar und Peter Simonischek gelesenen Fünfminüter aus.

Die Koffer werden samt den zugehörigen Texten am 25. April (18.30 Uhr) im Wien Museum zugunsten der VinziRast versteigert. Gute Sache! Und aufgepasst, es geht zack, zack: Noch am Dienstag folgen Geschichten von Grischka Voss, Peter Stephan Jungk und Robert Prosser. (Margarete Affenzeller, 16.4.2018)