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Der türkische Karrierediplomat Ahmet Üzümcü ist seit 2009 Generaldirektor der Organisation für das Verbot chemischer Waffen mit Sitz in Den Haag.

Foto: OPCW REUTERS/Michael Kooren

Die Inspektoren der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) versuchen seit Samstag, ihre Untersuchungen zu dem mutmaßlichen Giftgasangriff vom 7. April in der syrischen Stadt Douma aufzunehmen. Unterdessen tritt am Montag der Exekutivrat der OPCW in Den Haag zu einer Sondersitzung über Syrien zusammen.

Frage: Sind die Inspektoren der OPCW vor Ort?

Antwort: Nein. Das Inspektorenteam, bestehend aus Chemikern, Medizinern und Waffenexperten, verlautbarte am Samstag, dass es in Damaskus eingetroffen sei, um die Arbeit aufzunehmen. In die ehemalige Rebellenenklave Douma konnten sie aber noch nicht vordringen – syrische und russische Vertreter hätten das Team informiert, dass zuvor noch Sicherheitsfragen geklärt werden müssten, hieß es am Montag von OPCW-Generaldirektor Ahmet Üzümcü. Die britische Delegation bei der OPCW hatte zuvor auch auf Twitter geschrieben – unter Berufung auf ein Briefing des Generalsekretärs –, dass den Inspektoren nach wie vor der Zutritt zu Douma verwehrt bleibe.

Die britische Delegation bei der OPCW vermeldet, dass die Inspektoren keinen Zutritt bekämen.

Frage: Was sagt Russland zu den Vorwürfen?

Antwort: Russland weist die Vorwürfe zurück. "Das ist vollkommen ausgeschlossen. Das ist eine weitere Erfindung der Briten", sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow laut der Agentur Interfax. Wegen der Raketenangriffe der USA, Großbritanniens und Frankreichs hätten die OPCW-Experten ihre Untersuchungen bisher nicht aufnehmen können. "Die Folgen der illegalen und rechtswidrigen Handlungen verhindern das", sagte Rjabkow.

Frage: Wie läuft eine Untersuchung durch OPCW-Inspektoren normalerweise ab?

Antwort: Die vorrangige Aufgabe ist die Sammlung und Sicherung von Proben, mit denen chemische Kampfstoffe nachgewiesen werden können. Dafür werden Boden- und Pflanzenproben sowie Blut-, Urin- und Hautproben von mutmaßlichen Opfern genommen. Die Inspektoren müssen ein striktes Verfahren einhalten: Sie müssen bei der Probeentnahme zugegen sein und die Proben bei sich unter Verschluss behalten. Die Proben werden dann in das Hauptlabor der OPCW in den Niederlanden gebracht, dort in bis zu vier Chargen aufgeteilt und zur Auswertung in angegliederte unabhängige nationale Labore geschickt.

Frage: Wann ist mit konkreten Ergebnissen zu rechnen?

Antwort: Die Ermittler sollen ihren Bericht binnen 30 Tagen dem Exekutivrat der OPCW übergeben. Allerdings: Die OPCW "kann und wird keine Informationen über eine laufende Untersuchung veröffentlichen", heißt es in einer Erklärung der Organisation. Grund dafür seien die Integrität der Untersuchung und ihrer Ergebnisse sowie die Sicherheit der eingesetzten Experten. Alle Seiten seien aufgefordert, die Vertraulichkeit zu wahren, die für eine "gründliche und unbehinderte Untersuchung" nötig sei.

Frage: Werden die Inspektoren die Schuldfrage klären können?

Antwort: Nein, das ist auch nicht ihr Auftrag. Sie sollen lediglich feststellen, ob ein Einsatz von Chemiewaffen stattgefunden hat. Ihr Mandat erlaubt es ihnen jedoch, dafür auch Augenzeugen, Opfer und medizinisches Personal zu befragen. Ihre Ergebnisse können dann wiederum zur Ermittlung der Verantwortlichkeit herangezogen werden.

Frage: Ist mit einer Bestätigung des Chemiewaffeneinsatzes zu rechnen?

Antwort: Da die Inspektoren ihre Arbeit wohl erst mehr als eine Woche nach dem mutmaßlichen Angriff aufnehmen können, ist die Spurensicherung schwieriger als an einem gewöhnlichen Tatort, wo die Ermittler in der Regel binnen weniger Stunden eintreffen. Die OPCW-Experten werden so schnell wie möglich arbeiten, um Spuren etwa von Chlor und Sarin zu finden, die nachweislich auch schon früher im Syrien-Krieg eingesetzt wurden. Chlor verflüchtigt sich schnell und ist nach so langer Zeit nur schwer nachzuweisen. Allerdings reagieren nach Angaben von Experten etwa Pflanzen auf die Chemikalie, was auch später noch nachzuweisen sei.

Von anderen chemischen Kampfstoffen wie Sarin können auch noch nach Tagen oder Wochen etwa an Oberflächen Spuren gefunden werden. Die Inspektoren werden auch nach anderen Beweismitteln suchen, etwa Kanistern, Einschlaglöchern und Raketen- oder Bombensplittern.

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OPCW-Inspektoren während ihrer Fact-Finding-Mission in der Nähe von Damaskus im August 2013.
Foto: REUTERS/Stringer

Frage: Darf Syrien eigentlich Chemiewaffen besitzen?

Antwort: Syrien dürfte seit Mitte 2014 gar keine Chemiewaffen mehr besitzen. Denn Damaskus hatte sich unter internationalem Druck zu deren Vernichtung bereiterklärt. Laut OPCW wurden im Juni 2014 die letzten Bestände der deklarierten syrischen Chemiewaffen außer Landes gebracht. Nicht erst seit dem Angriff auf Douma gibt es am Kooperationswillen der syrischen Regierung allerdings erhebliche Zweifel.

Frage: Welche Rolle spielt die OPCW bei der Vernichtung der Chemiewaffen?

Antwort: Die OPCW kontrolliert weltweit die Produktion, Lagerung und Zerstörung von Chemiewaffen. 190 Staaten haben die Chemiewaffenkonvention unterzeichnet, die die OPCW überwacht. Syrien trat der Konvention erst im September 2013 bei. Israel und Myanmar haben die am 29. April 1997 in Kraft getretene Chemiewaffenkonvention zwar unterzeichnet, aber nicht ratifiziert. Ägypten, Angola, Nordkorea und der Südsudan haben beides nicht getan.

Frage: Welche Staaten besitzen heute noch Chemiewaffen?

Antwort: Mit Stand November 2017 besaßen von den Mitgliedsstaaten der Chemiewaffenkonvention sowohl die USA als auch der Irak noch angegebene, nicht vollständig zerstörte Chemiewaffen. Beide sind derzeit dabei, diese abzubauen. Ob nichtdeklarierte chemische Kampfstoffe noch im Besitz anderer Staaten sind, kann nicht eindeutig verifiziert werden. Rund 96 Prozent der weltweit 72.000 Tonnen chemischer Kampfstoffe wurden jedoch bereits vernichtet.

Frage: Wie steht es um die Sicherheitslage der Inspektoren in Syrien?

Antwort: In Douma gibt es nach dem Abzug der letzten Rebellen kaum noch Kämpfe. Dennoch ist der Einsatz der OPCW-Experten nicht ohne Risiko. Syrien und Russland haben erklärt, sie würden die Sicherheit der Inspektoren gewährleisten. Aber schon zweimal wurden OPCW-Inspektoren bei Einsätzen in Syrien angegriffen: Im August 2013 wurden sie bei der Untersuchung eines Einsatzes des Nervengifts Sarin nahe Ostghouta von Heckenschützen beschossen. Im Mai 2014 wurde ein Konvoi mit OPCW-Inspektoren in der Stadt Kafr Zita in der Provinz Hama mit Sprengsätzen und Gewehren angegriffen. Die Inspektoren wurden sogar kurze Zeit festgehalten. Wer für den Angriff verantwortlich war, konnte nie herausgefunden werden.

Frage: War die OPCW nicht schon 2014 für eine Fact-Finding-Mission in Syrien vor Ort?

Antwort: Ja, eine gemeinsame Ermittlungskommission der OPCW und der Uno hatte damals Syriens Regierung für mehrere Angriffe mit Giftgas verantwortlich gemacht. Russland verhinderte mit einem Veto im UN-Sicherheitsrat, dass das Mandat dieser Kommission verlängert wurde. (faso, APA, Reuters, 16.4.2018)