Dass Kindern, die nicht genug Deutsch können, um dem Unterricht zu folgen, aber auch um im Leben zurechtzukommen, beim Spracherwerb geholfen werden soll, ist konsensfähig – wie, ist umstritten.

APA/dpa/Weigel

Wien – In der (auch ideologisch aufgeheizten und unterfütterten) Diskussion um die von der Regierung geplanten eigenen Deutschförderklassen für jene Kinder, die die Sprache nicht gut genug können, um dem Unterricht zu folgen, gibt es unterschiedliche Kategorien, in die Kritiker mitunter einsortiert werden. Die massiven Bedenken aus Wien etwa werden oft schnell in die Rubrik "verdächtige Kritikerstimmen" verräumt – weil "politisch motiviert", weil rot regierte Bundeshauptstadt gegen türkis-blaue Koalition im Bund.

Es gibt aber auch Parallelläufe quer über (partei)politische Grenzen hinweg, wenn etwa Wiens Stadtschulratspräsident Heinrich Himmer (SPÖ) und Pflichtschullehrergewerkschaftschef Paul Kimberger (FCG, Fraktion Christlicher Gewerkschafter) für eine Verschiebung der angedachten Deutschförderklassen um ein Jahr eintreten, weil wichtige organisatorische, aber auch inhaltliche Details noch nicht geklärt seien.

Himmer wünscht sich "gründliche Nachdenkphase"

Himmer, der das Klassenmodell an sich "nicht ideal" findet, sagt, in Wien bräuchte man bei rund 15.000 außerordentlichen Pflichtschülern allein 500 zusätzliche Klassenräume, von entsprechend ausgebildetem Lehrpersonal und den Kosten dafür ganz abgesehen. Eine "gründliche Nachdenkphase" würde dem Ganzen guttun.

Kimberger begrüßt zwar Faßmanns Sprachinitiative an sich, "weil mehr Sprachförderung besser ist als weniger, je früher, desto besser – aber bitte ohne die jetzt absehbare Verunsicherung zu Beginn des nächsten Schuljahres. Die würde ich den Schulen gern ersparen, darum empfehle ich nicht aus inhaltlichen, sondern aus technischen Gründen eine Verschiebung", sagte der Lehrervertreter zum STANDARD: "Wir haben da noch Diskussionsbedarf."

Dann gibt es kritische Stimmen, die in die Rubrik "unverdächtig" fallen. Eine davon gehört Fritz Enzenhofer, seines Zeichens Landesschulratspräsident im schwarzblau regierten Oberösterreich und der ÖVP zugehörig. Er beurteilte das derzeitige Deutschförderklassenmodell im STANDARD-Gespräch so: "Gut gemeint, aber in der Umsetzung nicht durchdacht."

Enzenhofer wünscht sich "mehr Realismus"

Sein Rat an die Regierung: "Weniger plakative Ankündigungen, mehr Realismus." Heißt: Wenn ÖVP und FPÖ diese Deutschförderklassen möchten, müssten sie allein für Oberösterreich 8,5 Millionen Euro an Mehrkosten für rund 200 zusätzliche Deutschförderlehrer für das kommende Schuljahr zur Verfügung stellen.

Das ist aber nicht vorgesehen. In Summe sind für ganz Österreich 40 Millionen Euro vorgesehen.

"Ohne finanzielle Bedeckung ist das Ziel nicht erreichbar", warnt Enzenhofer, betont aber auch: "Wenn wir entsprechende Mittel bekommen, wissen wir, wie wir sie richtig einsetzen." Denn schon jetzt gebe es eine Reihe verschiedenster Deutschfördermaßnahmen in den Schulen vor Ort, die nicht durch eine "zentralistische Vorgabe aus Wien" ausgeschaltet werden dürften, vor allem, weil es regional sehr unterschiedliche Bedürfnisse gebe.

Landau kritisiert Trennung der Kinder prinzipiell

Auch der grüne Bildungsexperte Daniel Landau, selbst Lehrer in Wien, sagt: "Ich erkenne das Bemühen der Regierung an, dieses Thema anzugehen, denn es besteht Konsens: Der Istzustand ist nicht ideal, wir müssen etwas tun – nur wie, ist die entscheidende Frage. Zumindest im Wiener Raum läuft der Spracherwerb nicht zufriedenstellend, vor allem in den Neuen Mittelschulen. Aber das Trennen der Kinder ist – wie alle Sprachwissenschafter bestätigen – prinzipiell abzulehnen." Überdies sei ohne angemessene Finanzierung der Schulen über einen Sozialindex, der auf die jeweilige Schülerstruktur abgestimmt ist, ohnehin kaum etwas Sinnvolles zu machen. "Unterschiedliche Schulen brauchen unterschiedliche Methoden." Um diese sachlich und mit wissenschaftlicher Expertise zu erarbeiten, wäre eine Verschiebung des Projekts gut.

Bildungsministerium: "Das ist keine Revolution"

Im Bildungsressort wurde am Sonntag auf STANDARD-Anfrage mit Blick auf eine am Dienstag angesetzte Pressekonferenz mit Minister Heinz Faßmann ein etwaiger Aufschub der Deutschförderklassen zurückgewiesen: "Nein, es wird keine Verschiebung geben." Man habe in Reaktion auf die rund 50 Stellungnahmen zum Gesetzesentwurf und nach "vielen ehrlichen Gesprächen" mit Lehrerinnen und Lehrern bereits "nachjustiert". So sollen nun eigene Deutschklassen erst mit acht statt sechs Kindern eröffnet werden.

Generell aber meint man im Ministerium: "Natürlich müssen die Schulen da kreativ sein und sich darum kümmern, aber unsere Hoffnung ist, wenn sie diese Sprachförderung ein Semester wirklich ernsthaft anbieten, dann wird das funktionieren." Im Übrigen gelte: "Das ist keine Revolution, sondern nur eine Verstärkung der Deutschfördermaßnahmen, die es schon jetzt gibt – mit dem Unterschied, dass es künftig Verbindlichkeit gibt." (Lisa Nimmervoll, 16.4.2018)