Bei winterlichen Verhältnissen ist der Zugang zum Haus für Simon Bacher kaum schaffbar.

Foto: Sue Bacher

Vomp – Der Gehweg zu Familie Bachers Haus ist nur 35 Meter lang. Doch der Rechtsstreit um den Zugang dauert schon 17 Jahre und hat nun sogar die Vereinten Nationen beschäftigt. Die Uno hat einer Individualbeschwerde der Bachers gegen die Republik Österreich stattgegeben. Auf den Punkt gebracht attestiert die Uno Diskriminierung von Menschen mit Behinderung durch die Behörden. Es ist das zweite Mal, dass Österreich eine solche Handlungsempfehlung erhält und zeigt, wie schlecht es hierzulande um die Rechte Behinderter bestellt ist.

Alles, was Familie Bacher will, ist, den Weg für ihren 28-jährigen Sohn Simon passierbar zu machen. Simon hat Trisomie 21 und gilt deshalb als behindert. Der junge Mann hat eine schwere Form der Krankheit, er kann sich kaum ausdrücken und hat Probleme beim Gehen – vor allem im Winter. Damit er dennoch den 35 Meter langen, ansteigenden Weg hinauf zu seinem Elternhaus eigenständig meistern kann, hat seine Familie im Jahr 2001 beschlossen, ihn zu überdachen.

Ein ORF-Bericht zum Fall der Familie Bacher aus dem Jahr 2015.
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Das Land Tirol förderte diese Maßnahme großzügig. Doch einen Nachbarn, der auf dem Weg Servitutsrecht genoss, störte diese bauliche Maßnahme, und er klagte gegen das 2,25 Meter hohe Dach – wegen Verletzung des Luftraumes. Später machte er geltend, dass er wegen der Überdachung nicht mehr mit einem Bagger zu seinem Grundstück zufahren könne.

Nachbar gegen Überdachung

Dazu ist anzumerken, dass besagter Nachbar, der das Grundstück mitsamt darauf befindlichem Gartenhaus geerbt hatte, kein Baurecht besaß. Erst später widmete die Gemeinde Vomp die Fläche in Bauland um. Bezeichnend ist zudem, dass der Nachbar Jahre später, als es um Sanierungsarbeiten am Weg ging, vor Gericht behauptete, dass er diesen Zugang ohnehin nicht nutze. Er weigerte sich, die Sanierung mitzutragen. Die Kosten blieben an Familie Bacher hängen.

Doch zurück zur Überdachung. Nach dreijährigem Streit vor Gericht erhielt der Nachbar Recht, Familie Bachers Wegüberdachung musste abgetragen werden. "Für uns, aber vor allem für Simon war das ein Schock", erklärt Mutter Sue. Ihren Glauben an die Justiz hat Familie Bacher, die seither gegen bürokratische Windmühlen kämpft, verloren. Egal wohin sich Simons Eltern wandten, man berief sich stets auf die Entscheidung des Gerichtes. Im Ort haftet ihnen mittlerweile der Ruf an, schwierig zu sein, nicht zuletzt weil sie den Empfehlungen des Bürgermeisters, wegzuziehen oder Simon in ein Heim zu geben, nicht nachkamen.

Rechtsmittel ausgeschöpft

Nachdem sämtliche Rechtsmittel ausgeschöpft waren, reichte die Familie 2014 Individualbeschwerde bei der Uno ein. Immerhin hat Österreich die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet, in der die Rechte von Behinderten verbrieft sind. Es dauerte vier Jahre und bedeutete einen ungeheuren Aufwand, doch letztlich obsiegten die Bachers. Die Uno wird Österreich eine Empfehlung zu dem Fall übermitteln.

Doch hier liegt die nächste Krux begraben. Denn ob und wie Österreich darauf reagieren wird, steht in den Sternen, wie Marianne Schulze, Menschenrechtsberaterin und langjährige Vorsitzende des Monitoringausschusses zur Kontrolle der Umsetzung der UN-Konvention, erklärt: "Zwar hat sich Österreich laut Fakultativprotokoll dazu verpflichtet, Empfehlungen umzusetzen. Doch in der Praxis passiert dies nur teilweise und es gibt keine Rechtsmittel für Betroffene."

Licht ins Dunkel statt Inklusion

Der Fall mache überdeutlich, dass in Österreich tiefes Unverständnis hinsichtlich sozialer Barrierefreiheit herrsche, sagt Schulze. Dabei brauche es nicht viel, um das Leben Behinderter zu verbessern. "Doch solange man hierzulande nur alljährlich Licht ins Dunkel bejubelt, wird Inklusion nicht verstanden werden", so die Juristin zum Umgang Österreichs mit Behindertenrechten.

Der streitbare Nachbar der Bachers hat sein Grundstück inzwischen verkauft. Dort werden Wohnungen gebaut. Der Bauträger zeigt Verständnis für die Situation und hat einen Garagenplatz zum Kauf angeboten. Auch die Überdachung des Weges wäre nun möglich. Allerdings fehlt der Familie mittlerweile das Geld für beides. (Steffen Arora, 16.4.2018)