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Theresa May gab sich als weiblicher Falke – sehr zum Missfallen der Opposition.

Foto: Simon Dawson/Pool Photo via AP

London – Die britische Beteiligung am Raketenangriff auf Syrien bleibt auf der Insel hoch umstritten. Umfragen vor dem Einsatz in der Nacht zum Samstag ließen wenig Verständnis für die Entscheidung von Premierministerin Theresa May erkennen. Die Opposition will die Regierungschefin am Montag im Unterhaus zur Rede stellen und ihr eine Abstimmung aufzwingen. Weil nicht einmal die Reihen der konservativen Fraktion geschlossen sind, könnte May ein etwaiges Votum verlieren.

Londons militärischer Beitrag zur Strafaktion der drei westlichen Vetomächte im UN-Sicherheitsrat hätte geringfügiger kaum ausfallen können: Vom Stützpunkt Akrotiri der Royal Air Force auf Zypern aus nahmen vier Tornado-Kampfbomber, geleitet von vier Typhoon-Jets, an dem Einsatz teil. Zum eigenen Schutz vermieden sie sorgfältig das Eindringen in syrischen Luftraum; sie feuerten je zwei Raketen vom Typ Storm Shadow, produziert vom europäischen Rüstungskonsortium MBDA, auf ihr Ziel rund 25 Kilometer westlich der Stadt Homs. Dort soll das Regime von Bashar al-Assad Komponenten für chemische Waffen lagern und erproben.

"Grotesk und absurd"

Sichtlich übermüdet verteidigte May am Samstag vormittag in einer 40-minütigen Pressekonferenz ihr Vorgehen. Alle bekannten und zusätzlich von Geheimdiensten beschafften Erkenntnisse deuteten auf das Assad-Regime als Urheber des Chemiewaffen-Einsatzes vom vorvergangenen Samstag hin. Keine andere Gruppe komme in Frage; die Terrortruppe IS/Daesh sei in Douma gar nicht vertreten. Als "grotesk und absurd" wies die 61-Jährige russische Vorwürfe zurück, wonach die von Großbritannien unterstützte Hilfsorganisation White Helmets für den Mordanschlag verantwortlich sei.

Mehrfach betonte die Konservative, es sei nicht um ein Eingreifen im syrischen Bürgerkrieg, geschweige denn um einen Regimewechsel gegangen. Man habe Assads Waffenarsenal verringert und den syrischen Präsidenten von erneutem Gebrauch seiner Massenvernichtungswaffen abgeschreckt. Ausdrücklich verknüpfte May die Ereignisse von Douma und Salisbury miteinander. Die Abschreckung gelte auch jenen – gemeint war Russland, "die glauben, sie könnten straflos Chemiewaffen einsetzen. Die internationale Gemeinschaft wird den Gebrauch von Chemiewaffen nicht tatenlos hinnehmen." Dies liege im nationalen Interesse Großbritanniens.

Corbyn gegen "Anweisungen aus Washington"

Oppositionsführer Jeremy Corbyn kritisierte die "rechtlich fragwürdigen" Luftschläge scharf: "Bomben bringen keinen Frieden." Die Premierministerin hätte die Erlaubnis des Parlaments einholen sollen, so der Labour-Politiker, "anstatt Anweisungen von Washington entgegenzunehmen". Die schottische Ministerpräsidentin und Vorsitzende der Nationalistenpartei SNP, Nicola Sturgeon, beklagte ebenfalls das fehlende Parlamentsmandat. "Wie kann diese Aktion den Gebrauch von Chemiewaffen verhindern oder langfristigen Frieden bringen?"

Bis Montag befand sich das Parlament in den Osterferien. Vergangene Woche hatten führende Abgeordnete, darunter der konservative Alterspräsident Kenneth Clarke, eine Sondersitzung verlangt. In der Session vom Montag dürfte es neben dem konkreten Syrien-Einsatz auch um die grundsätzliche Frage gehen, ob ein Regierungschef auch weiterhin die Streitkräfte in einen vorhersehbaren Einsatz schicken darf, ohne das Unterhaus zu fragen. Dies war der ungeschriebenen Verfassung zufolge bisher möglich und geschah zuletzt 2011 in Libyen und 2013 in Mali unter Mays Vorgänger David Cameron.

Corbyn brachte in Medieninterviews am Sonntag ein neues Kriegserklärungsgesetz ins Spiel, das die Zustimmung des Parlaments erzwingen würde. Allerdings dürfte der pazifistische Partei-Linke erhebliche Schwierigkeiten haben, seine überwiegend der Realpolitik zuneigenden Hinterbänkler zu einem solchen Schritt zu bewegen. (Sebastian Borger aus London, 16.4.2018)