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Eine Szene von der jährlichen Entwickler-Konferenz von Facebook in San Jose aus 2017.

Foto:AP Photo/Noah Berger

Perugia – Müsste man das Verhältnis zwischen den Medien und Facebook in einem Facebook-Beziehungsstatus ausdrücken, wäre der wohl: Es ist kompliziert. Darum wollte der Moderator der Podiumsdiskussion, Jeff Jarvis von der Graduate School of Journalism in New York, auch gleich zu Beginn das Konfliktfeld definieren: "Was ist das Problem mit Facebook und wie schlimm ist es?", fragte er am internationalen Journalismusfestival in Perugia in die Runde.

Medien brauchen Facebook

Rasmus Nielsen, Professor am Reuters Institute for the Study of Journalism in Oxford, skizziert das Problem der Medien mit Facebook durch eine starke, einseitige Abhängigkeit: Facebook stelle zwar die Geschäftsmodelle der Medien in Frage, sei aber gleichzeitig der größte Verbreitungsmechanismus redaktioneller Inhalte. Die Medien bräuchten Facebook und seine Dienste.

Die Journalistin und Literatur-Unternehmerin, Jennifer 8. Lee, verortet das Problem mit Facebook dagegen auf kultureller Ebene. Sie würde sich eine breiter gefächerte Ausbildung des Programmier-Personals wünschen – vor allem in den Bereichen Kunst und Kultur. Sie illustriert ihr Argument anhand eines Gesprächs über Demokratie mit einem Facebook-Programmierer: "Wenn du uns sagen kannst, wie man Demokratie misst, dann können wir sie implementieren!", hätte dieser zu ihr gesagt. Bei Facebook dominiere Lee's Ansicht nach eine "Ingenieurs-Mentalität", die nur an Messbarkeit und "Zahlen mit vielen Nullen" interessiert sei.

Soll Facebook Journalisten einstellen?

Das liebe Geld mit seinen vielen Nullen sollte auf dem Plenum noch öfter thematisiert werden. Ob Facebook denn nun Journalistinnen und Journalisten einstellen und bezahlen sollte, wollte der Moderator wissen. Sei es das, was die Medien von Facebook wollen?

Tanit Koch, ihres Zeichens ehemalige "Bild"-Chefredakteurin, verneint entschieden. Sie sehe keinen Grund, Facebook auch nur irgendeine redaktionelle Verantwortung zu übertragen, solange das Unternehmen nicht fähig sei, Morddrohungen innerhalb von 24 Stunden zu löschen. Außerdem wäre Facebook durch eine eigene Redaktion mit einem Schlag das größte Medienunternehmen der Welt, jegliche Konkurrenz würde untergehen. Aber auch ohne Redaktion müsse Facebook verstehen, dass Nachrichten mehr seien als eine Ware. Derzeit würden Nachrichten nicht ihrem gesellschaftlichen Mehrwert entsprechend gewichtet.

Facebook soll Medien fördern

Auch Craig Silver von BuzzFeed News sieht keine Notwendigkeit, Journalistinnen und Journalisten direkt bei Facebook anzustellen. Vielmehr solle Facebook Medien und Journalismus indirekt fördern: Über Kollaborationen auf Augenhöhe, über die Finanzierung von Journalismus-Ausbildungen oder über Festivals wie etwa jenem in Perugia.

Doch auch konfrontativere Positionen klangen vom Podium herunter: "Es war interessant, was Mark Zuckerberg vor dem US-Senat gesagt hat", so Jay Rosen, vom Arthur L. Carter Institut für Journalismus in New York. "Er meinte, Facebook übernimmt die Verantwortung. Was er aber nicht gesagt hat, ist, dass Facebook redaktionelle Verantwortung übernehmen wird." Für ihn bestehe das Problem sehr wohl darin.

Facebook sollte einen Chefredakteur einstellen

"Facebook sollte einen Chefredakteur einstellen", fordert Rosen denn auch. Eine höchst umstrittene Position, würde ein solcher Schritt Facebook doch endgültig zu einem Medienunternehmen machen. Eine Idee, die Mark Zuckerberg – wohl nicht zuletzt wegen der damit einhergehenden Verantwortung – bisher stets strikt abgelehnt hatte. Doch Rosen war sich am Podium sicher: Bereits jetzt würden de facto redaktionelle Entscheidungen getroffen, aber eben auf intransparente Weise.

Facebook nutzt bekanntlich Algorithmen für die Erstellung der User-Newsfeeds, die passende Inhalte anhand von "Likes" und anderen Facebook-Aktivitäten auswählen. Inhalt, der gefällt, wird verstärkt in die Timeline gespült. So entstehen die sogenannten Echokammern.

Neben der Einsetzung eines Chefredakteurs forderte Jay Rosen auch, dass Facebook den Medien "viel Geld anbieten" solle. Über eine Art Nachrichten-Stiftung solle der Wegfall von Anzeigengelder, der Medien durch Facebook entsteht, kompensiert werden.

Uno für Technologiekonzerne

Um genau solche Fragen und Konfliktfelder zu bearbeiten, schlug Rasmus Nielsen vom Reuters Institut abschließend eine Art "UNO für Medien und Technologiekonzerne" vor. Kollaborationen und Konflikte zwischen den beiden Akteursgruppen müssten institutionalisiert werden.

"Eine Institutionalisierung wird nicht auf magische Weise zu Kompromissen führen", so Nielsen. "Wer die UNO oder EU kennt, weiß, dass das nicht passieren wird", sagt er und der Saal lacht. Trotzdem sei eine Formalisierung von Auseinandersetzungen zentral für das Fortkommen der Branche.

Darüber hinaus müsse man bei aller Kritik an Facebook auch im Kopf behalten, dass soziale Netzwerke den Medienkonsum der User diversifizieren – vor allem jener, die jung und tendenziell nicht an traditionellen Nachrichten interessiert sind, so Nielsen, der sich dabei auf seine Forschungsergebnisse stützen kann.

Und für Medienunternehmen dürften das wohl ausnahmsweise erfreuliche Nachrichten aus den Schaltzentralen des Silicon Valley sein.

Das Video über das Panel

International Journalism Festival

(Miriam Hübl, 13.4.2018)