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Simulierter Einsatz gegen palästinensische Angreifer: Israelische Soldaten trainieren in Camp Tsur.

Foto: REUTERS/Amir Cohen/File Photo

Als der Schuss ertönt und der Mann auf der anderen Seite zusammensackt, halten sich die Soldaten nicht mehr zurück: "Wow, was für ein Video, jaaaa, so ein Hurensohn", schreit einer, als ob das, was da mit der Kamera gerade festgehalten wurde, nur ein Videospiel ist. Doch der Mann, der nun am Boden liegt, ist ein Palästinenser im Gazastreifen. Die jubelnden Männer hinter der Kamera sind israelische Soldaten.

Zwar ereignete sich der Vorfall laut Armee schon im Dezember 2017 und die jubelnden Soldaten sind nicht die Schützen. Dennoch macht das Video jetzt erst die Runde in sozialen Netzwerken – und schlägt hohe Wellen. Politiker und Armee reagierten umgehend, allerdings auf ganz unterschiedliche Art und Weise: Während die Armee den Vorfall untersuchen will und betont, dass das Filmen solcher Operationen sowie die zu hörenden Äußerungen nicht dem Grad an Zurückhaltung entsprechen, der von Soldaten der israelischen Armee erwartet würde, rechtfertigten israelische Minister das Verhalten der Soldaten: "Jeder, der schon einmal auf dem Schlachtfeld war, weiß, dass es nicht besonders seriös ist, wenn jemand in Tel Aviv oder in einem Studio sitzt und Soldaten nach ihren Kommentaren beurteilt, während die dabei sind, unsere Grenzen zu verteidigen", sagte Bildungsminister Naftali Bennett.

"Menschliche Reaktion"

Und Gilad Erdan, Minister für Innere Sicherheit, fragte: "War es in diesem Land in den kommenden Tagen so langweilig, dass dieses Video so viel Aufmerksamkeit bekommt?" Die Soldaten seien in einer Stresssituation und nun beurteile man diese "menschliche Reaktion" und verurteile sie vom Lehnsessel in Tel Aviv aus.

Wer die Palästinenser in dem Video sind und ob es sich um Terroristen handelte, wird in dem kurzen Ausschnitt nicht deutlich. Die Armee spricht von gewaltsamen Protesten, bei denen auch Steine geflogen sein sollen und Demonstranten versucht hätten, den Sicherheitszaun zu durchbrechen. Man habe zunächst mündlich gewarnt und Warnschüsse in die Luft abgefeuert. Was auch immer die Palästinenser vorhatten – die Reaktionen auf das Video zeigen, wie groß die Abneigung gegenüber jenen ist, die sich kritisch mit dem Vorgehen der Armee auseinandersetzen. Beide Minister richteten ihre Kritik gegen Tel Aviv, jene Stadt, die als Heimat der Liberalen und Linken gilt.

Einseitige Debatte

Dass der derzeitigen Regierung solche Worte nicht recht sind, macht sie unverblümt deutlich. Etwa Verteidigungsminister Avigdor Lieberman: Nachdem am Wochenende bei den Protesten im Gazastreifen ein palästinensischer Journalist ums Leben kam, lehnte der Minister eine Untersuchung des Vorfalls ab. Er bezichtigte den Journalisten, ein Mitglied der Hamas zu sein, der mit einer Kameradrohne israelische Einsatzkräfte ausspioniert hätte. Beweise dafür wurden bislang nicht veröffentlicht. Zuvor sagte Lieberman, es gäbe keine Unschuldigen in Gaza.

Bezeichnend ist nun, dass die kleine linksliberale Partei Meretz, die als einzige eine Diskussion über die Vorfälle an der Grenze zum Gazastreifen gefordert hatte, nun nicht an der entsprechenden Debatte teilnehmen darf. (Lissy Kaufmann, 11.4.2018)