Kanzler Sebastian Kurz und sein Vize Heinz-Christian Strache wollen weniger Sozialversicherungsträger: Im Koalitionsabkommen hat man sich eine Reduktion auf maximal fünf verordnet.

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Was haben Eisenbahner, Bergarbeiter, Bauern, Selbstständige, Beamte und Notare gemeinsam? Auf den ersten Blick wohl nicht viel. Aber eines verbindet diese Berufsgruppen in Österreich: Sie alle verfügen über ein eigenes Pensionssystem.

In der klassischen Wohlfahrtsstaats-Typologie (die heute auch nicht mehr so ganz zutrifft) von Gøsta Esping-Andersen fällt Österreich unter den konservativ-korporatistischen Typ. Daneben gibt es noch das liberale Sozialstaatsregime (etwa die USA) und das sozialdemokratische (etwa Schweden).

Ein Charakteristikum des konservativ-korporatistischen Typs ist es, zwar starke Sozialversicherungssysteme zu etablieren, aber traditionelle gesellschaftliche Hierarchien – etwa zwischen Berufsgruppen oder zwischen Männern und Frauen – durch den Sozialstaat nicht abbauen zu wollen, sondern fortzuschreiben. Zu diesem Zweck wurden in vielen Sozialsystemen Europas Versicherungsleistungen nach Berufsgruppen organisiert – mit Nachwirkungen bis heute.

Beispielhaft zeigt die Tabelle unten, wie viele dieser berufsspezifischen Systeme es im Pensionsbereich in westlichen Demokratien heute gibt. Österreich liegt dabei hinter Frankreich auf Platz zwei – die große Mehrzahl der hier dargestellten Länder (zwölf von 22) verfügt demgegenüber über einheitliche Pensionssysteme.

Dazu kommt im österreichischen Sozialsystem noch die funktionale Trennung der großen Versicherungsträger (für Pensionen, Gesundheit und Unfälle) sowie bei den Krankenkassen eine regionale Gliederung nach neun Bundesländern – macht in Summe über 20 Sozialversicherungsträger.

Die Bundesregierung hat sich im Koalitionsabkommen eine Reduktion auf maximal fünf Träger verordnet. Interessanterweise ist es also gerade eine konservativ geführte Regierung, die dem alten korporatistischen Prinzip der ständischen Organisation der Sozialversicherung den Garaus machen will. Im Grunde sollte es für dieses Ansinnen also Kompromisspotenzial etwa mit der SPÖ geben.

Dem steht allerdings entgegen, dass solche Reformen meist auch Machtverschiebungen innerhalb der Sozialversicherungsträger hin zum regierungsnahen Lager bringen. Und nicht zuletzt haben die Ankündigungen der Sozialministerin zur Unfallversicherungsanstalt (AUVA) dazu geführt, dass sich früh Widerstand gegen etwaige Zusammenlegungen formieren kann.

Gut möglich also, dass Österreich seinen zerklüfteten Sozialstaat noch länger behält. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 12.4.2018)