Mit Kopftuch und Zigarette, eine Nacht lang ausgelassen in einer Bar: Marie Bäumer als Romy Schneider.
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STANDARD: Sie bekamen bereits als Jugendliche zu hören, dass Sie Romy Schneider ähnlich sehen. Wie haben Sie die Schauspielerin selbst wahrgenommen?

Bäumer: Damals mit 16 Jahren wusste ich überhaupt nicht, wer sie ist, weil ich keinen Fernseher hatte. Als ich dann knapp 20 war, habe ich angefangen, mich mit ihr zu beschäftigen. Da habe ich dann schnell verstanden, was für eine Ausnahmeschauspielerin sie ist.

STANDARD: Sie war für Sie keiner dieser Stars, die einen durchs Leben begleiten, mit dem man ein bestimmtes Kino entdeckt?

Bäumer: Doch, schon dadurch, weil ich oft auf sie angesprochen wurde. Man erzählte mir ständig Geschichten, ob ich wollte oder nicht. Wie jeder fand ich Romy Schneider ausnahmslos intensiv. Sie war eine der körperlichsten Filmschauspielerinnen. Ich habe früh angefangen, Schauspiel zu unterrichten, und habe mich dabei stark mit dem Körper beschäftigt. Die Idee, dass das Theater physisch sei und das Kino weniger, wurde von ihr widerlegt. Was den Körpereinsatz, die Durchlässigkeit anbelangt, war sie für mich die Vorzeigeschauspielerin. Sie konnte phänomenal über den Rücken spielen – in kurze Abständen anspannen und wieder loslassen.

STANDARD: Der Körper wurde gerade im deutschsprachigen Kino oft vernachlässigt. Haben Sie für "3 Tage in Quiberon" dann auch bestimmte Szenen studiert?

Bäumer: In der Vorbereitung habe ich mir vor allem Interviews mit ihr angesehen, nicht die Filme. Es geht ja um die Zustandsbeschreibung einer Frau, die zufälligerweise als Romy Schneider bekannt war. Das Ikonische an ihr hat mich nicht interessiert. Das ist auch der Grund, warum ich alle Biopic-Angebote abgelehnt habe. Ich dachte, die einzige Chance ist, hinter das Bild, diese Projektionsfläche zu gelangen. In den Interviews konnte ich ihre Atmung studieren. Auch ihre Aufregung und ihre Art zu rauchen, die etwas Männlich-Sinnliches hatte. Und ihre Art zu sprechen, den Journalisten nicht zuzuhören und über die nächste Frage hinaus an einem Gedanken hängenzubleiben.

Trailer zu "3 Tage in Quiberon".
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STANDARD: Das heißt, die Fragilität der Figur hat Sie dann erst überzeugt, dass es möglich ist, sie zu verkörpern?

Bäumer: Nicht überzeugt, das war mein Ansatz. Ich habe mit einem Freund, dem Produzenten Denis Ponce, in Paris Austern gegessen, und er fragte, ob das Thema Romy Schneider für mich erledigt sei. Ich sagte: "Ja, außer wenn du es schaffst, einen Film über das Ende ihres Lebens zu realisieren." Nur so konnte man der Gefahr entgehen, dass man nach dem Kino nur den Wunsch verspürt, die richtige Romy zu sehen. Mir war klar, dass man damit als Schauspielerin nur auflaufen kann. Jemand mit dieser Präsenz, noch dazu recht jung gestorben, wird zum Mythos – da läuft man gegen eine Wand. Der Produzent kam dann mit der Idee des Vierpersonenstücks auf mich zu und schlug Emily Atef als Regisseurin vor.

STANDARD: Haben Sie den Fotografen Robert Lebeck, dessen Bilder den Film prägen, kennengelernt?

Bäumer: Ja, wir hatten das Glück, Robert Lebeck zu treffen, er ist leider vor zwei Jahren gestorben. Er hat sein Okay gegeben und 500 Bilder zur Verfügung gestellt. Mit denen hat Emily Atef viel Zeit verbracht. Deshalb sah sie auch den Film in Schwarzweiß und hat das durchgesetzt, was bei der Finanzierung nicht einfach war. Mich hat das sehr gefreut, ich wollte immer einen Schwarzweißfilm in meiner Filmografie haben.

Bäumer über Schneider: "Ich glaube, dass sie so gehört und so gesehen werden wollte, wie sie sich wirklich fühlte."
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STANDARD: Im Film öffnet sich Romy Schneider gegenüber der deutschen Presse in Gestalt des "Stern"-Interviewers Michael Jürgs. Dabei haderte sie immer mit solchen Reportern. Macht sie das, um ihr Image zu kontrollieren?

Bäumer: Das weiß ich nicht so genau. Ich vermute eher, dass sie eine große Sehnsucht hatte, mit der deutschen Presse Frieden zu schließen. Sie haben ihre Entwicklung nicht begleitet, man ist an diesem Sissi-Bild hängengeblieben, wie Eltern, die nicht einsehen können, dass aus der Tochter eine Erwachsene wird. Es war eine Abwehr: Die Claude-Sautet-Filme, die wir heute lieben, wurden in Deutschland verrissen. Ich glaube, dass sie so gehört und so gesehen werden wollte, wie sie sich wirklich fühlte. Zu dem Zeitpunkt, von dem wir erzählen, hatte sie kein wirkliches Zuhause mehr. Weder innerlich noch äußerlich, und dann ist es unendlich schwer, klare Grenzen zu ziehen.

STANDARD: Jürgs schrieb in einem Text in der "Süddeutschen", er hätte das Kino verstört verlassen.

Bäumer: Er hat uns von Anfang an sehr unterstützt. Als er den Film sah, meinte er jedoch, der Typ agiere wie Satan, nicht wie er. Wir haben ihn zu beruhigen versucht. Wenn wir von einer leidenden Frau und einem netten Journalisten erzählt hätten, dann hätten wir keinen Konflikt. Natürlich musste Emily ein paar Dinge auf die Spitze treiben. Es ist letztlich eine fiktive Geschichte, die auf einer authentischen Begegnung basiert. Er hat auch von seiner Verbindung zu Romy Schneider erzählt, die sich bis zu ihrem Tod gehalten hat. Diese Zuwendung, mit der sie ihn geknackt hat, wurde von ihm sicherlich anders wahrgenommen. Es ist wichtig, beide Seiten zu sehen. Emily hat immer gesagt, Romy Schneider sei kein Opfer.

STANDARD: Vielleicht kein Opfer, aber man hat den Eindruck, dass sich Leben und Rolle vermischen.

Bäumer: Das macht auch ihren Zauber aus. Sie war so offen. Natürlich ist das in diesem Beruf, der so viel fordert, eine große Gefahr. Weil man den eigenen Schutzraum, seine Kräfte verliert. (Dominik Kamalzadeh, 12.4.2018)