Das von einer Wienerin erfundene Kopftuch-Emoji: Süß, aber für viele doch verstörend.

Illustration: Apple

Es stellt sich immer deutlicher heraus, dass mit dem Kopftuchverbot für Kinder eine Regulierung vorgenommen werden soll, ohne dass es eigentlich einer Regulierung bedürfte. So gesehen lag Bundesminister Heinz Faßmann mit seinem skeptischen Hinweis auf eine "symbolische Maßnahme" richtig. Alle sind sich ja einig darin, dass Mädchen nicht von klein auf zum permanenten Kopftuchtragen genötigt werden sollen. Die Zahl betroffener Mädchen an Kindergärten geht gegen null. An Volksschulen handelt es sich um Einzelfälle, die vor allem im Ballungsraum Wien vorkommen. Inzwischen eingeholte Erfahrungswerte aus Schuldirektionen bestätigen dies. Zusätzlich wird die Position "Dialog ist der bessere Weg" gestützt. Die positive Rolle der islamischen Religionslehrerinnen und -lehrer der Aufklärung wird immer öfter von Personen der Schulpraxis hervorgehoben.

Keine Verteidigung

An der muslimischen Basis hat sich keine einzige Stimme bemerkbar gemacht, die das verfrühte Kopftuchtragen religiös verteidigt oder gar Eltern darin unterstützen möchte, den Mädchen, kaum dass sie sprechen können, ein Kopftuch umzubinden. Hier hat der innermuslimische Diskurs pädagogisches Fingerspitzengefühl gefördert. Anstatt darauf zu setzen, dass diese muslimischen Stimmen wichtige Multiplikatoren im Sinne der Interessen der Mädchen und damit eigentlich Partner sind, übersieht man deren Leistung meist geflissentlich. So herrscht unter Muslimen verbreitet Verbitterung und Sorge: "Wo soll das alles noch enden? Was kommt als Nächstes?"

Diese Symbolpolitik auf dem Rücken der Muslime können auch die bei solchen Gelegenheiten eifrig hervorgekramten Phrasen wie "Verhinderung einer Parallelgesellschaft" (Kurz) oder "Gegen den politischen Islam" (Strache) nicht kaschieren. Da es ohnehin einen gesellschaftlichen Konsens gibt, entlarvt dies den Versuch, selbstkonstruierte Narrative über Muslime als "die anderen" und als Feinde der "eigenen" Wertegemeinschaft einmal mehr zu bedienen. Ist eigentlich noch niemandem aufgefallen, dass man Menschen so ja geradezu in eine "Parallelgesellschaft" drängt?

Die Kalkulation, dass Symbolpolitik ja kaum jemandem wirklich wehtue, ging schon beim Burkaverbot nicht auf. Der Politik war es nicht um die Lösung eines realen Problems zu tun, sondern vor allem um die Botschaft, "den Islam" in die Schranken zu weisen. Auf dem Kopf der Frauen wurde das ganze Unbehagen angesichts Terrorismus und muslimischer Zuwanderung abgeladen. Die jetzige Unterstellung, Muslime müssten in Fragen der Kindererziehung gesetzlich beschränkt werden, um deren Kinder vor den eigenen Eltern zu "schützen", stößt vor allem jene moderate muslimische Mehrheit vor den Kopf, die längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Diesen Muslimen schlägt eine Welle prinzipiellen Misstrauens entgegen mit fatalen Auswirkungen auf das gesellschaftliche Klima. So gesehen fördert der Herr Bundeskanzler genau jene gesellschaftliche Segregation, die er zu bekämpfen vorgibt.

Damit findet eine äußerst bedenkliche Annäherung an jene Feindbildpolitik der FPÖ statt, die Muslime als Folie der Abgrenzung zur Schaffung eines ansonsten schwindenden "Wir-Gefühls" seit Jahren zu missbrauchen sucht. Ein Vizekanzler Strache hat kein Interesse daran, den Islam als vereinbar mit einer österreichischen oder europäischen Lebensweise erscheinen zu lassen. Er hat aber sehr viel Interesse daran, der eigenen Wählerklientel Sand in die Augen zu streuen, was die von der Regierung geplanten Maßnahmen im Sozialabbau betrifft. Diese werden gerade beim "kleinen Mann" schmerzlich spürbar sein, weshalb ein Sündenbock hermuss. Nebenbei kann man sich moralisch aufs hohe Ross setzen und von den eigenen Skandalen und Extremismen ablenken. Dem Ex-Integrationsstaatssekretär, der damals durchaus vernünftig agierte, müsste eigentlich klar sein, dass eine solche Politik nicht integrativ, sondern desintegrativ wirkt, anstatt sich in seiner Rhetorik immer mehr zum Zwilling seines Vizekanzlers zu entwickeln.

Nachdem vollmundig angekündigt wurde, "das Gesetz wird kommen", zeigt sich nun, dass es juristischer Spitzfindigkeiten bedürfte, um dieses überhaupt als einzig auf den Islam bezogen durchzubringen. Hatte man es beim Burkaverbot noch geschafft, eine scheinbar "religionsneutrale" Formulierung zu finden, gerät man bei der Aussicht, gerade im Gedenkjahr könnte bei einem Verbotsgesetz für Kindergärten und Volksschulen auch die Kippa betroffen sein, zu Recht gehörig ins Schwitzen. Eigentlich sollte spätestens hier auch ein Nachdenkanstoß gegeben sein, wie man heute mit einer anderen religiösen Minderheit umspringen will.

Der erste Versuch, die heikle menschenrechtliche Dimension einer Einschränkung der Religionsfreiheit zu umschiffen und darum den religiösen Aspekt ganz außen vor zu lassen, funktioniert nicht. Jetzt tauchen zur scheinbaren Legitimation abgedroschene Worthülsen wie "Symbol der Unterdrückung" auf, die von Kopftuchgegnern so gern im Mund geführt werden. Als Fremdzuschreibungen nehmen sie eine religiöse Interpretation vor. Diese anmaßende Einmischung in die inneren Angelegenheiten einer Religionsgemeinschaft ist gerade im Rahmen von Gesetzesmaßnahmen nicht zulässig. Umso mehr, als bewusst ignoriert wird, dass das Kopftuchtragen auch genau gegenteilige Botschaften vermitteln kann. Musliminnen haben jedenfalls in letzter Zeit immer selbstbewusster signalisiert, dass die Deutungshoheit über das, was das Kopftuch transportieren kann, schon bei ihnen selbst als emanzipierten, voll partizipierenden und Chancengleichheit fordernden modernen Frauen liegt.

Ein Verbotsgesetz würde nicht nur in Konflikt mit dem Prinzip der Religionsfreiheit geraten. Für die breite Bevölkerung viel alarmierender müsste auch der Eingriff in das Erziehungsrecht der Eltern sein. Die Emotionalität ob der "armen Kopftuchmädchen" vernebelt, dass die nun geplanten Maßnahmen einen Dammbruch bedeuten können. Denn damit wird die Tür geöffnet für einen autoritären Stil der Bevormundung, der so gar nicht zu einer demokratischen offenen Gesellschaft passt, die auf die mündige Einsichtsfähigkeit ihrer Bürgerinnen und Bürger setzt. Bisher jedenfalls sind wir auch ohne eine gesetzliche Impfpflicht der Eltern oder gar Sanktionen ausgekommen, um ein Thema anzusprechen, das angesichts der Wiederkehr einiger überwunden geglaubter Krankheiten sogar eine gewisse Relevanz hat. Hier würde wohl niemand die Gesetzeskeule auspacken – das ginge dann ja auch gegen die "eigenen" Leute. Gar nicht zu reden von tatsächlich notwendigen Verbesserungen des Kinderschutzes – die aber alle Geld kosten würden. (Carla Amina Baghajati, 9.4.2018)