Im Umgang mit anerkannten Flüchtlingen unterscheiden sich die Mindestsicherungs-Modelle der Vorarlberger und Oberösterreicher.

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Wien – Österreich sucht das Topmodell – für eine bundesweit einheitlich ausgestaltete Mindestsicherung. Politiker blicken dabei vor allem auf zwei Bundesländer. Die türkis-blaue Regierung preist im Koalitionspakt ein Konzept an, das jenem aus Oberösterreich gleicht. Die Vorarlberger Version hingegen findet bei der oppositionellen SPÖ Anklang, aber auch bei manchen Bundespolitikern aus der FPÖ wie etwa Sozialministerin Beate Hartinger-Klein.

In beiden Ländern regieren schwarze Landeshauptleute – und dennoch verfolgen diese unterschiedliche Philosophien. Was bieten die vielgerühmten Modelle von Oberösterreich und Vorarlberg? Und welches taugt als Vorbild für das ganz Land?

Der Vergleich

Ein kurzer Blick auf die Grundzüge: In Oberösterreich haben Alleinstehende, die weder arbeiten noch sonstige Leistungen beziehen, Anspruch auf all inclusive 921,30 Euro im Monat. In Vorarlberg beträgt der Grundbetrag nur 645,32 Euro im Monat, doch dazu kommt noch ein nach Haushaltsgröße gestaffelter Ersatz der Wohnkosten, der für Einzelne bis zu 503 Euro ausmachen kann. Die insgesamt erreichbare Leistung ist mit 1148 Euro damit höher als in Oberösterreich. Das bedeutet aber nicht, dass Vorarlbergern per se mehr Geld zum Leben bleibt. Schließlich sind die Mieten im Westen besonders hoch.

Da wie dort bekommen Paare einen reduzierten Betrag pro Kopf, für Kinder gibt es Zuzahlungen, es gilt die Pflicht zur Arbeitssuche – so weit, so üblich in ganz Österreich. Ein großer Unterschied, um den sich die Debatte dreht, liegt aber im Umgang mit den Flüchtlingen, die nach positivem Asylbescheid mangels Arbeit vielfach auf Mindestsicherung angewiesen sind. Das von ÖVP und FPÖ regierte Oberösterreich gewährt Asylberechtigten mit befristetem Aufenthaltsrecht und subsidiär Schutzberechtigten statt der 921 Euro lediglich 365 Euro im Monat. Dazu kommen 40 Euro "Taschengeld" plus ein Bonus von 155 Euro – sofern die Bezieher die Integrationserklärung einhalten.

Anreiz oder Armutsfalle

Während Kritiker die Armutsfalle zuschnappen sehen, argumentieren schwarze und blaue Landespolitiker, dass zu üppige Leistungen Flüchtlinge anziehen würden und die Kosten explodieren ließen. Außerdem sei es ungerecht, dass jemand, der nie ins Sozialsystem eingezahlt hat, gleich viel wie Alteingesessene erhalte.

De facto ist die Zahl der Betroffenen überschaubar. Im Dezember 2017 haben von 14.246 Mindestsicherungsbezieher in Oberösterreich lediglich 447 den reduzierten Flüchtlingsbetrag erhalten, das sind etwa drei Prozent; gut möglich, dass viele nach Wien oder sonst wohin umgezogen sind.

Niederösterreich aufgehoben

Doch gerade dieses Minderheitenprogramm birgt einen großen Haken. Schließlich hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) unlängst das ebenfalls restriktive niederösterreichische Modell aufgehoben – und daraus ergebe sich, so der Sozialrechtsexperte Walter Pfeil, dass Asylberechtigte nicht schlechter behandelt werden dürften. Einen ähnlichen Schluss zog Ministerin Hartinger-Klein: "Soweit ich informiert bin, ist das oberösterreichische Modell leider auch nicht verfassungskonform."

Anders als Oberösterreich zahlt das Ländle Flüchtlingen gleich viel wie anderen Beziehern. Doch ganz unbeeindruckt ließ die Debatte die Landesregierung auch nicht. ÖVP und Grüne nahmen Verschärfungen vor, die indirekt auf Asylberechtigte abzielen.

Weniger für WGs

So erhalten Menschen in Wohngemeinschaften nun nur noch 75 Prozent der Grundleistung, ausgenommen sind Krisen-WGs und ähnliche Einrichtungen. Damit hat Vorarlberg nachvollzogen, was anderswo – so auch in Oberösterreich – längst Gesetz war. Eingeschränkt hat Vorarlberg auch die Erstattung der Wohnkosten, im Gegensatz zu früher gelten nach Haushaltsgröße gestaffelte Höchstsätze. Soziale Einrichtungen übten Kritik, der Landesvolksanwalt beanstandete die Regelung beim Verfassungsgerichtshof (VfGH): Die Höchstsätze seien zu niedrig, um sich in Vorarlberg eine Wohnung leisten zu können.

Der VfGH folgte diesem Einwand nicht, denn schließlich gewährt das Land in besonderen Fällen Geld über die Obergrenze hinaus – etwa für Dauerbezieher, die ihre Lebensumstände nicht mehr aus eigener Kraft ändern können. Auch die anderen zentralen Regelungen ließen die Höchstrichter gelten, gefallen ist lediglich eine Übergangsbestimmung. Das Vorarlberger Modell ist im Gegensatz zum oberösterreichischen damit juristisch abgesichert.

Der Deckel klappt zu

Trotz der Kürzung zeigt der Vergleich mit Oberösterreich zudem: Bereits eine vierköpfige Familie kann im Ländle deutlich über 1500 Euro kommen; im Land ob der Enns hingegen setzt bei diesem Niveau ein "Deckel" ein, der den Gesamtbezug pro Haushalt mit 1512 Euro begrenzt. Auch Niederösterreich hatte ein solches Limit eingeführt – und ist damit vor dem VfGH gescheitert. Die oberösterreichische Version hat nach Expertenmeinung allerdings größere Überlebenschancen, zumal es eine Reihe von Ausnahmen für Härtefälle gibt.

Beide Länder haben als Bedingung Integrationsvereinbarungen ausgearbeitet. Da wie dort müssen sich Flüchtlinge dazu verpflichten, Deutsch zu lernen, Wertekurse zu absolvieren und sich aktiv um Arbeit zu bemühen – sonst drohen Kürzungen. Wie oft seither wegen Missachtung der Vereinbarung zusätzlich gestraft wurde, konnte das Vorarlberger Sozialressort auf Anfrage nicht ausweisen; Sanktionen für Arbeitsunwillige gab es ja schon davor.

447 Flüchtlinge

Oberösterreich nennt eine Minimalzahl. Von 447 Flüchtlingen, die im Dezember die reduzierte Mindestsicherung erhielten, fiel nur einer um den Bonus von 155 Euro um, weil er die Integrationserklärung nicht unterschrieben hat. Verstoß gegen selbige wurde kein einziger geahndet."

"Das Vorarlberger Modell ist großzügiger und sicher integrationsfreundlicher", urteilt Experte Pfeil und hebt den "klugen" Ansatz hervor, Wohnkosten als Sachleistung direkt zu bezahlen, statt den Leuten Geld in die Hand zu drücken. Sollen Flüchtlinge hingegen abgeschreckt werden, ließe sich – die rechtlichen Probleme ausgeklammert – an Oberösterreich ein Beispiel nehmen: "Da lautet die Botschaft: Wir wollen euch nicht." (Gerald John, 10.4.2018)