Burgenländer besingen als Einzige innig Österreich, jenen Länderbund, dem die Pannonier erst nach dem Ersten Weltkrieg beitreten durften. Verhunzungen fanden schon statt.

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Tiroler erinnern sich daran, dass sie, vom Kaiser Österreichs im Stich gelassen, gegen die Bayern um Tirol stritten; und mit ihm ums verlass'ne deutsche Reich. Verhunzungen der Hymne sind untersagt.

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Wien hat keine. Die alte Reichshaupt- und Residenzstadt ist in allen möglichen Weisen schon so besungen worden, dass sie später dann, als Österreichs allerjüngstes Bundesland, keinen Bedarf mehr hatte, sich per eigener Hymne in Szene zu setzen. "Wien, Wien" war seit jeher ja eh "nur du allein".

Restösterreicher – die in den Bundesländern, wie man zwischen Stephans-, Ballhaus- und Rathausplatz auch sagt – sahen den Bedarf freilich schon. Und darum lässt sich die "Heimat großer Söhne" (beziehungsweise korrekterweise "Töchter und Söhne") auch recht schön en detail besingen vom "Bett der Raab" ganz im Osten quer übers hohe Gebirge, "wo die Gemse keck von der Felswand springt", bis hin ins Ländle, zum "Vater Rhein, noch jung an Jahren".

Das singende, klingende Österreich setzt sich aus acht offiziellen, gewissermaßen amtlich beglaubigten Landeshymnen zusammen. Die sind, zugegeben, nicht immer Juwele heimischen Musik- und Textschaffens.

Aber sie haben sich doch über all die Volksschulgenerationen, die ihre Sangeskraft daran zu üben hatten, ans Ohr geschlichen als etwas sehr Vertrautes; sind, im durchaus eigentlichen Sinn, etwas Heimatliches geworden. "Hoamatland, Hoamatland, di han i so gern! Wiar a Kinderl sein Muader, a Hünderl sein Herrn." So zum Beispiel singen sie es in Oberösterreich.

Verse sind das zweifellos, die einem hart ans ästhetische Gemüt gehen. In ihnen aber nur "ein miserables Gedicht, eine hundselendigliche Melodie" zu sehen, wie dies Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder vor etwa vier Jahren getan hat, greift wohl ein wenig gar kurz; erzählt mehr über die beanspruchte Erlesenheit der eigenen Urteilskraft als über das solcherart naserümpfend und naseweis Beurteilte.


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Oberösterreich, so der gebürtige Linzer Schröder, sollte es doch zu einer besseren Hymne bringen. Schon, ja, eh! Aber wie? Sowas führte ja erst recht aufs eisglatte Terrain des bloß gut Gemeinten, auf dem ein Parlamentsausschuss mit mehrheitsgewichteter Hand so sehr ins poetische Geschehen griffe, dass sich am Ende wohl auch Schröder gewünscht haben würde, es wäre bei Franz Stelzhammer und den Tönen von Hans Schnopfhagen geblieben. Die zumindest für sich in Anspruch nehmen können, Österreichs einzige Landeshymne in hoamatlicher Mundart bereitgestellt zu haben.

Österreichs Absenz

So manche Eigentümlichkeit findet sich in den Landeshymnen. Nicht zuletzt der Umstand, dass es in ihnen mit einer einzigen Ausnahme nie um Österreich geht. Gerade das erst 1816 österreichisch gewordene Salzburg erwähnt es en passant. In Strophe drei, die eigentlich vom Eigentlichen singt: "Mutter und Wiege bist du nur uns allein, Salzburg, du Kleinod Österreichs."

Deutsche Hymnen

Zu einer regelrechten Anrufung Österreichs werden nur die burgenländischen Kinder angehalten. Als wolle man sich immer noch versichern, eh wirklich Österreicher zu sein und keine Ungarn mehr. Das Landeslied hebt gleich so an: "Mein Heimatvolk, mein Heimatland, mit Österreich verbunden."

Dieses Österreich ist – anders als das alte Ungarland – kein fest an die Zentralkandare genommener Staat, sondern ein bloßer Bund an Ländern. Bis heute. Bis heute mit diesbezüglichen Fisimatenten.

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Historisch ist Österreich ja sowieso nur das erst 1806 endgültig getrennte Erzherzogtum ob und unter der Enns. In Letzterem will man "hoch dich preisen, mein Niederösterreich". Dieser schöne Lobgesang ("Oh Heimat, dich zu lieben, getreu in Glück und Not") stammt aus der Feder des Franz Karl Ginzkey, dessen Hatschi Bratschis Luftballon in den dem Reinheitsgebot unterliegenden wortpolitischen Korrektionsanstalten für noch mehr Arbeit gesorgt hat als Astrid Lindgrens Langstrümpfe. Dafür hat die Melodie zum Niederösterreichlied niemand Geringerer als Ludwig van Beethoven mit seinem Opus 122 beigesteuert, woran wohl auch Klaus Albrecht Schröder keinen Makel fände.

Historisch besonders spannend singen die Kärntner, die Steirer und vor allem die Tiroler von ihren Ländern. Die Kärntner und die Steirer erzählen nur vordergründig von landschaftlichen Schönheiten, denn beide tun sie das auf eine Weise, die empfindsame Gegenwartsmoralisten regelmäßig zum Zucken bringen könnte.

Euer König

Unter der Bedeckung des herzerweichenden Chorgesangs lässt es sich etwa die Kärntner Sangesfreude nicht nehmen, auch ausdrücklich vom Kampf zu singen, der nach dem Ersten Weltkrieg um die Einheit des Landes gefochten wurde.

Anstatt der aus den hinlänglich bekannten Gründen hinfällig gewordenen alten Strophe ("Und breitet über Öst'reichs Haus / der Kaiseraar die Schwingen aus / dann auch, von Feinden ungeneckt / sein Flügelpaar Karenta deckt") singt man seit 1930, von Agnes Maria Millonig gedichtet, von "Mannesmut und Frauentreu", die jene Heimat sich aufs neu erstritten, "wo man mit Blut die Grenze schrieb".

Steirisches Wendenland

Die Kärntner singen klarerweise auch und in den höchsten Tönen von der Drau. Und bemerkenswerterweise tun das auch die Steirer, deren Lebensraum sich solcherart gesanglich – historisch korrekt – immer noch erstreckt "hoch vom Dachstein an bis zum Wendenland am Bett der Sav', und vom Alptal an, das die Mürz durchbraust, bis ins Rebenland im Tal der Drav'". Beide Flüsse fließen heute, immerhin, in der slowenischen Stajerska. Schlichtes Gemüt mag sich daran empörend hochranken.

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Eine noch höhere Rankhilfe gäbe es in Innsbruck, wo seit Jahr und Tag inbrünstig der deutschen Schmach gedacht wird. Des Andreas Hofer Mannesmut, mit dem er in Mantua zum Tode (den er selber "so manches Mal vom Iselberg geschickt ins Tal") schritt, böte Anlass genug. Als der Sandwirt die Seinen geschlagen sah, da rief er laut: "Gott sei mit euch, mit dem verrat'nen Deutschen Reich." Und als er selber ging den letzten Gang, lag "ganz Deutschland, ach, in Schmach und Schmerz".

"Mit ihm", Deutschland, "das Land Tirol" – das unter Hofer gegen die Bayern gekämpft hat für den guten Kaiser Franz, der sich da aber längst schon dem Napoleon geschlagen gegeben hatet und, wie dem Hofer zum Hohn, sich seither "Kaiser von Österreich" nannte, als welcher er im Frieden von Schönbrunn 1809 Tirol den Bayern als Beute überließ (ach, wie ließe sich allein am bloßen Hofer-Lied schon von Österreich als Ganzem erzählen!) – dieses Land Tirol hat seine hymnischen Erinnerungen an sich selber vorsorglich geschützt. Das Hofer-Lied ist im heil'gen Land sakrosankt. Wer es entstellt, verhunzt, herabwürdigt, dem droht rechtliches Ungemach. Bis 2004 gar der Kotter. Auch andere Länder – Oberösterreich, Vorarlberg etwa – tun das.

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Welches Glück also für Peter Wagner, nur ein Burgenländer zu sein. Der pannonische Dichterfürst machte schon 1981 die pannonische Hymne in ganz Österreich weltberühmt. Freilich in seinen eigenen Worten. Und also so:

"Mein Heimatvolk, mein Heimatland / dem Arsch der Welt verbunden! / Auf dir ruht manches Mächtigen Hand, / sie hat dich oft geschunden. / Du bist gestählt ganz wie Beton / aus Kirche, Suff und Pendlersfron. / Mach dir nichts draus aus so viel Schand, / du bist ja nur das Burgenland!"

Heißa! War das ein Tanz dazumals. Sage also niemand, in Österreichs Hymnen schlummere weder Saft noch Kraft. (Wolfgang Weisgram, 7.4.2018)

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