Es hat nur etwas mehr als hundert Tage gedauert, bis Sebastian Kurz sein Regierungsprinzip auf Marionettenbasis auf ein Bundesland ausgeweitet hat. Zugegeben, die kalte Liquidierung Christian Bengers, die er, kaum vollzogen, in angemessener Heuchelei "respektierte", war eine Aktion an der schwächsten Stelle einer innerparteilichen Länderfront, deren Widerstand gegen türkisen Zentralismus er bis auf weiteres mehr fürchten muss als den der Opposition. Kärnten ist nicht Vorarlberg oder Tirol. Aber demnächst sind Wahlen in Salzburg, und wer weiß, ob das Ergebnis nicht Chancen bietet, eine nächste Landespartei fester in den Durchgriff seiner eingeschworenen Clique zu nehmen.

Rein technisch hat sich deren Herrschaftssystem bisher bewährt. Man suche sich ein Kabinett des Neu-Regierens aus Mitgliedern zusammen, die teilweise wild regierungshungrig, aber durch die Bank regierungs- und besser noch politikunerfahren sind, was nebenbei, aber nicht unwichtig, auch bedeutet: von einer Steuerungsgruppe leicht lenkbar und jederzeit austauschbar. In diesem System ist man nach einigen Jahren als Außenminister mit den Hauptarbeitsgebieten Schließung der Mittelmeerroute und Orbanismus unangefochtener König.

Mitgerissen vom Rausch des Nulldefizits

Es ist kein Zufall, dass die einzige Ausnahme in dieser Besetzungsliste, an der so etwas wie eine Neigung zu Ministerverantwortlichkeit erkennbar wird, eine Person ist, die als Präsident des Rechnungshofs Erfahrungen sammeln konnte, wie es in der Politik zugeht. Und erst recht kein Zufall, dass er daher als Erster wider den Stachel des Systems Kurz löckte und einen offenen Konflikt lostrat. Den harten Rüffel am Justizminister überließ Kurz dem Beamten- und Strafrechtsspezialisten Strache, dem die Justiz ohnehin zu lasch arbeitet, weshalb Einsparungen offenbar durchaus gerechtfertigt sind. Ob Josef Moser beim Budgetkapitel Justiz vom Finanzminister überfahren wurde oder ob er, vom Rausch des Nulldefizits mitgerissen, zunächst zustimmte und erst mit dem Aufschrei der Richter erwachte, ist egal angesichts der Frage, wie weit die dritte Instanz neben Legislative und Exekutive in dieser Republik geschwächt werden soll.

Setzt er sich hier nicht doch noch durch, ist das für die von ihm angekündigte Staatsreform erst recht kein gutes Zeichen, denn die ist eine wesentlich härtere Nuss, soll sie diesen Namen verdienen. Für ein Scheitern auf diesem Gebiet hat er einen Rücktritt schon in Aussicht gestellt, womit er einem Schicksal wie jenem Bengers in Kärnten offenbar zuvorkommen will, indem er das seine selbst in die Hand nimmt.

Dass nicht alle Landesorganisationen der ÖVP sich so bereitwillig dem eisernen Reformwillen der Liste Kurz öffnen wie jene Kärntens, kann man bedauern. Endlich könnte sie Österreich so verändern, wie das laut Kurz schon geschehen ist, statt sich mit heißer Luft zur Klimapolitik oder mit der Rettung des Abendlandes per Kopftuchverbot für Mädchen abzustrudeln. Was soll da erst aus den Reformen der Krankenkassen oder der Mindestsicherung werden? Zum Glück gibt es Norbert Hofer. Er gewährt uns ab 4. Juli die Benützung des Pannenstreifens im Fall von Staus. Es geht etwas weiter. (Günter Traxler, 5.4.2018)