Die Schweringener Glocke nach der Entfernung des Hakenkreuzes durch Unbekannte.

Foto: epd-bild/Hannoversche Landeskirche

Am Gründonnerstag fliegen die Glocken nach Rom, in der Osternacht kommen sie zurück. Manche Glocken aber sind gekommen, um zu bleiben. Alle Jahre wieder taucht zum Beispiel in Deutschland der Streit um die sogenannten "Hitler-Glocken" auf, die noch in diversen Gotteshäusern herumhängen. Zuletzt entbrannte im Vorjahr ein Streit über eine solche im kleinen rheinland-pfälzischen Herxheim. Die Inschrift der seit 1934 dort in der protestantischen Jakobskirche hängenden Glocke lautet "Alles fuer's Vaterland – Adolf Hitler". Hakenkreuz inklusive.

Als sie nach Protesten im September 2017 außer Dienst gestellt wurde, aber hängen blieb, bot die evangelische Landeskirche an, die Kosten für eine neue Glocke zu übernehmen. Der Herxheimer Gemeinderat entschied sich jedoch mit zehn zu drei Stimmen für den Verbleib, als "Anstoß zur Versöhnung und Mahnmal gegen Gewalt und Unrecht". Bim, bam, bumm. Etwaige Alternativen wie das Schleifen der Inschrift oder das Verkleiden der Glocke würden laut einer Expertise einer Glockensachverständigen das Klangbild dieses "akustischen Denkmals" verändern. Eine Glocke sei schließlich vorrangig ein Musikinstrument und diene im konkreten Fall einer "aufgeklärten Erinnerungskultur".

Von Dollfuß zu Hitler

Während etwa in Rilchingen-Hanweiler im Saarland oder in den pfälzischen Gemeinden Essingen und Mehlingen, in Homburg und in der Lüneburger Heide "Hitler-Glocken" heuer endlich entfernt wurden, macht sich der Denkmalschutz auch in unserer schönen Heimat für diese merkwürdige Form der christlichen Erinnerungskultur stark. Die Glocke im Schloss der niederösterreichischen Ortschaft Wolfpassing glänzt als unveräußerliches Gut noch immer mit Hakenkreuz und der Inschrift: "Am 13. 3. 1938 befreite der Einiger und Führer aller Deutschen Adolf Hitler die Ostmark vom Joche volksfremder Bedrückung und führte sie heim ins Großdeutsche Reich." Verändert wurde sie allerdings schon einmal. Zwischen 1935 und 1938 läutete sie zu Ehren des ermordeten Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß als sogenannte "Dollfuß-Glocke". Die Nazis ließen sie nach dem "Anschluss" einschmelzen und zur "Führerglocke" umgießen.

Im niedersächsischen Schweringen in Deutschland haben Unbekannte diese merkwürdige Debatten über "Erinnerungskultur" nun auf ihre Art beendet. Nachdem der Kirchenvorstand der evangelischen Kirchengemeinde erst diesen März wieder mehrheitlich beschlossen hatte, die Schweringer Hitler-Glocke nach langem Hin und Her doch weiter läuten zu lassen, wurden jetzt das Hakenkreuz und die Inschrift "dies Kreuz gab Gelingen half Zwietracht bezwingen" nachts einfach weggeflext. Bis jetzt erstattete seitens der Kirche niemand Anzeige wegen Hausfriedensbruchs und Sachbeschädigung. Ein Sachverständiger muss erst klären, ob der Klang der Glocke dadurch beeinträchtigt wird. Süßer die Glocken nie klingen. (Christian Schachinger, 4.4.2018)