Im Vergleich zur Mode der vorangehenden Jahrhunderte trugen Frauen in den 1920er-Jahren Kleidung, die ihrem neuen und emanzipierteren Alltag entsprach.

Foto: Getty Images / iStockphoto / Casarsa

Die noble Zurückhaltung des Adels und der Bourgeoisie war in den 1920er-Jahren vorbei und es wurde ordentlich Schminke aufgetragen.

Foto: Getty Images / iStockphoto / Shanina

Emanzipierte Frauen kleideten sich schon immer gern etwas anders – und das wurde oft und gern gegen sie verwendet. Bequem, lässig und sämtlichen aufgezwungenen Weiblichkeitsattributen widerstrebend, wird ihre Kleidung bis heute als "unsexy" diskreditiert, was freilich für die Trägerinnen keine Beleidigung, sondern vielmehr eine Bestätigung ihrer Botschaft ist: Gefallen wollen war gestern. Weder vom männlichen Blick noch von der Modeindustrie wollten sich Feministinnen der 1970er-Jahre diktieren lassen, wie sie sich kleiden – davon abgesehen, dass viel zu viel zu tun war, um sich auch nur zwei Minuten lang damit zu beschäftigen.

Heute hat sich diese Verweigerungshaltung etwas aufgeweicht, obwohl sich viele feministisch geneigte Menschen noch immer keinen Trends unterwerfen wollen, weshalb sich die Trends aktuell immer wieder nach Frauenrechtlerinnen orientieren. Und so wird seit einigen Jahren diskutiert, ob die Mode den feministischen Kampfgeist instrumentalisiert, oder ob der Hype um aktivistisch-angehauchte Mode ein kleiner politischer Sieg ist.

Neue Kleidung, neue Rolle

Die aktuelle Koexistenz von Modetrends und Politik ist nicht die erste dieser Art. Nach dem Ersten Weltkrieg arbeiteten viele Frauen weiterhin in den Jobs weiter, die sie von den in den Krieg gezogenen Männern übernommen haben. "Frauen waren nach dem Ersten Weltkrieg sehr gefordert", sagt Regina Karner, Leiterin der Modesammlung des Wien-Museums. Demnach war die damalige Mode, die heute als Garçonne-Stil berühmt ist, erstmal vorrangig funktional, "vor allem die Tagesmode war schmucklos, die Röcke waren kürzer, man brauchte also auch weniger Stoff", beschreibt Karner die Damenmode der 1920er-Jahre. Auffällige Schminke kam ebenso in Mode, Augenbrauenstifte, knallrote Lippen und Nagellacke – beim Make-up gab es im Gegensatz zur Kleidung alles andere als Zurückhaltung, und das war völlig neu. In der Zeit der Monarchie und bis zum Ersten Weltkrieg war in Adelskreisen und in der Bourgeoisie Schminken verpönt.

Über einen echten Kurzhaarschnitt trauten sich allerdings nicht alle "neuen Frauen" drüber, wie die Generation später genannte wurde. Viele fassonierten ihre Haare nur zu einer Kurzhaaroptik, doch so oder so –die Frisur musste in jedem Fall unter den modischen Topfhut passen. Der Bubikopf und die kürzeren Röcke standen damals tatsächlich auch für Selbstbestimmung und hatten einen starken politischen Impetus. Karner: "Damit wendete man sich gegen die Vergangenheit, nach dem Zusammenbruch der Monarchie und dem Ende des Ersten Weltkrieges erschien alles gut, was neu war", beschreibt Karner den damaligen Zeitgeist. Neu sollte auch die Rolle der Frauen sein, die Anfang des 20. Jahrhunderts auch in Österreich erste frauenpolitische Erfolge feiern konnten und im Jahr 1918 das harterkämpfte Wahlrecht erhielten.

Die "vermännlichte" Frau

Dass der Kleidungsstil auch Ausdruck gesellschaftlicher Umbrüche ist, wurde auch damals registriert und kommentiert. Der androgyne Stil der 1920er wurde wie später auch der Stil der Zweite-Welle-Feministinnen gern als "Vermännlichung" betitelt, widersprach er doch völlig den vorangehenden Schönheitsidealen, die Hüften und Brüste ins Zentrum rückten.

Im Garçonne-Stil wurden hingegen sämtliche Rundungen weggeschummelt, auch mithilfe von Miedern. Die völlige Befreiung aus den Kleiderungetümen der vorangehenden Jahrhunderte war es also noch nicht. Schon Ende der 1920er-Jahre war es auch schon wieder vorbei mit dem "flachen" Frauenkörper. "Mit dem Aufkommen des Faschismus wurden die Röcke wieder länger, verspielter, und die weiblichen Formen wurden wieder stärker betont", so Karner. Spätestens im Nationalsozialismus waren die Frauen wieder auf eine Rolle reduziert: die der Mutter. Ein modischer, aber vor allem auch ein frauenpolitischer Rückschritt.

Und wie verhält es sich heute mit Mode und Feminismus? Seit queerfeministischen Überlegungen der 1990er-Jahre ist der Stellenwert dieses Zusammenhangs sehr groß geworden, sagt die Kulturwissenschafterin Elke Gaugele. "Historische Slogans und Figuren wie etwa Simone de Beauvoir tauchen heute auf T-Shirts oder in Werbekampagnen für Modegeschäfte auf", sagt sie. Das sei vor allem in Anbetracht des aktuellen politischen und gesellschaftlichen Gefüges interessant. Gaugele: "Die Modeindustrie hat sich in den USA teilweise zur Opposition gegen die Alt-Right-Bewegung erklärt. Feministische Statements bedeuten also im heutigen politischen Kontext – auch in Österreich mit der aktuellen Regierung – etwas anderes als noch vor ein paar Jahren". Die letzten Jahre würden auch zeigen, dass sich Feminismus mehr mit Fragen der Bürgerrechtsbewegung oder in Europa und Österreich mit Antirassismus verknüpft hat, beobachtete Gaugele. Zum Beispiel gab es Statements wie das der Designerin Leyla Piedayesh bei der Kopenhagener Fashionweek, die mit dem Banner "I'm an immigrant" ihre Mode präsentierte. (Beate Hausbichler, 6.4.2018)