Seit 1987 ist das Umweltministerium in der Hand der ÖVP. Und fast genauso lang wurden Kritiker der österreichischen Umweltpolitik auf eine kommende Klima- und Energiestrategie vertröstet. Oft wurde mit diesem Versprechen Kritik auch abgeschmettert. Dann, ja dann wird alles gut. Ein großer Wurf wurde auch vom ehemaligen Umweltminister Andrä Rupprechter angekündigt. Nun präsentierte seine Nachfolgerin Elisabeth Köstinger das rund 60-seitige Papier. Und das ist zutiefst ernüchternd – ja teils sogar empörend.

Die gesteckten Ziele sind mutlos, und die Umsetzung ist vage. Bei dem Gesamtenergiebedarf soll der Anteil erneuerbarer Energieträger von derzeit 35 Prozent auf 45 bis 50 Prozent angehoben werden. Selbst beim schlimmsten Klimasünder zögert die Regierung: Der Zeitpunkt der Abschaltung der beiden Kohlekraftwerke wird noch verhandelt, hieß es im Umweltministerium. Noch immer wird Kohlestrom in Österreich steuerlich bevorzugt: Wird bei der Verbrennung Strom erzeugt, fällt die Steuer weg. Von einer von Expertenseite oftmals geforderten ökosozialen Steuerreform ist in der Strategie keine Rede. Auch die Streichung der Eigenstromsteuer "könnte" kommen, heißt es im Imagefilm zur Strategiepräsentation. Von einem "wird" ist da keine Rede mehr. Insgesamt zielen alle Maßnahmen darauf ab, die Emissionen um 36 Prozent zu verringern – dabei handelt es sich nur um die unterste Grenze der EU-Ziele.

Die Regierung pocht ständig auf Freiwilligkeit, gibt aber keine verbindlichen Zusagen für positive Anreize. Und sie lässt sich für alles ein bemerkenswertes Hintertürchen offen: "Geänderte externe Faktoren müssen bei der regelmäßigen Evaluierung berücksichtigt werden", heißt es auf der vorletzten Seite. Dazu zählt die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen. Dabei ist die Ausgangslage für die Klimapolitik schon schwierig genug. Der Energieverbrauch und der Treibhausgasausstoß steigen seit drei Jahren wieder, statt zu sinken. Die vom Pariser Klimavertrag vorgeschriebenen Zielmarken für 2030 sind dadurch immer schwieriger zu erreichen. Aber eine Wende in der Energie- und Klimapolitik kostet Geld – nicht die von der Regierung vorgesehenen Millionen, sondern jährlich Milliarden, sagt Klimaexperte Stefan Schleicher.

Doch diese Ausgaben zahlen sich für Österreich aus. Hierzulande liegen die Folgekosten für Wetterextreme schon heute bei rund einer Milliarde Euro, sagt Risikoforscher Reinhard Mechler dem STANDARD. Und diese Zahl sei noch "konservativ gerechnet", ergänzt er. 2030 wird sich diese Zahl auf etwa 2,5 Milliarden Euro erhöhen.

Folgeschäden werden aber auch in anderen Bereichen spürbar werden: durch gesundheitliche Folgen oder durch Produktivitätsverluste in Fertigung und Handel, ausgelöst von mehr Hitzeperioden. Wieso angesichts dieser drängenden Zahlen keine fixe Fristen oder Finanzmittel in der gesamten Klimastrategie angeführt werden, ist unverständlich.

Durch das Herumtrödeln voriger Umweltminister wurden bereits wichtige Jahre vergeudet. Je länger Österreich mit klaren Zielsetzungen und einem straffen Zeitplan wartet, desto teurer wird es. Es rechnet sich, stärker in den Klimaschutz zu investieren: wegen einer Abmilderung der nationalen und internationalen Folgen des Klimawandels und auch für eine Stärkung des Wirtschaftsstandortes. Ohne Innovation werden die anderen Länder an Österreich vorbeiziehen. (Julia Schilly, 3.4.2018)