Hohe Säle, geschulter Service, herausragende Küche: In der Johannesgasse findet man Wiens besten Libanesen.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Mit Grieß gefüllte Wachteln sind eher auf der trockenen Seite gebraten.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Massive Säle, goldene Luster, riesige Torbögen: Auf nobel hergerichtete Großrestaurants wie diese sind selten in der Wiener Innenstadt. Solche, die an einem Wochentag im Vorfrühling bis hart an die Kapazitätsgrenze ausgelastet sind, erst recht. Dabei handelt es sich weder um einen Schnitzeltempel noch ein Kompetenzzentrum für original wienerisch ausgekochtes Rindfleisch – sondern um ein levantinisches Restaurant.

Angesichts der Stimmungsmache von Politik und Boulevard, die eine akut abzuwehrende Totalislamisierung der Republik suggeriert, scheint deshalb eine Warnung für angstgesteuerte Opfertypen angezeigt: Der Chefkoch ist Syrer, kein Schweinefleisch auf der Karte!

Dafür fließt bernsteinfarbenes Wiener Original aus dem Fass, es gibt Arak um 105 Euro die Flasche und Château Ksara aus dem Bekaa-Tal im Südlibanon. Die Weine werden seit 1857 von Jesuiten gekeltert. Doch das sind Details, für die wahre Kämpfer gegen die Globalisierung keine Zeit haben – irgendwer muss schließlich die Grenzen dichtmachen.

Die beste Küche

Im Fall von Elias Matar, einem austro-libanesischen Gastronomen in zweiter Generation, und seiner multinationalen Truppe sind die Retter des Abendlandes aber zu spät dran. Matar hat sein Elissar bereits im Herbst vergangenen Jahres eröffnet, die Hütte erfreut sich geradezu drängelnder Beliebtheit.

Was bei Essen dieser Art kein Wunder ist: Die libanesische Küche hat Leichtigkeit, Raffinesse, Variantenreichtum, sie gilt nicht zufällig als beste der arabischen Welt. Mezze, in schier endloser Vielfalt zelebrierte Vorspeisen, sind wohl die sozialste Art, es sich gutgehen zu lassen. Auch im Elissar.

Das liegt an der Qualität der Küche, an der Expertise des ägyptischen Fladenbrotbäckers, mindestens ebenso aber an der Professionalität der balkanisch-levantinischen Servicemannschaft, die sich aus Griechen, Rumänen, Serben, Türken, Bulgaren und, natürlich, Libanesen rekrutiert. Die Stimmung ist allem Stress zum Trotz prächtig, die gemeinsame Sprache Deutsch.

Besonders hervorzuheben: Der zitronige Petersil-Minz-Salat Taboulé, der wie ein Schwert durch alle Frühjahrsmüdigkeit schneidet; das Dickjoghurt Labne mit expressivem Rohmilchgeschmack; oder Salatet Rahib, gehackte, gegrillte Melanzani, die erst bei Tisch mit frischen Kräutern, gehackten Radieschen, Paradeisern und Paprika vermischt werden, auf dass ihr intensiver Rauchgeschmack abgefedert werde.

Knusprig fetter Fluff

Kurz gebratene Hühnerleber mit Zimt und Granatapfelsirup ist von abgehobener Köstlichkeit, die Kombination aus Süße, Säure, scharf angebratener Innerei und schillernder Würzkraft sorgt für Lustseufzer reihum. Hausgemachte, kleinfingerdicke Maanek- und Soujouk-Würstel beeindrucken mit vielschichtiger Aromatik. Manouche Za'atar, eine Art libanesische Focaccia, mit der explosiv aromatischen Gewürzmischung Za'atar besterut in den Holzofen geschoben, ist ein luftig-knusprig-fettiger Fluff von einem Fladen, grandios.

Fatayir Zbenigh darf man sich auch nicht entgehen lassen, eine Art gefaltete Pizza, die mit geschmolzenen Zwiebeln, mit Sumach gewürztem Blattspinat, Pignoli und abermals Granatapfelsirup gefüllt ist: ein Kissen voll von abenteuerlichem Wohlgeschmack.

Die Hauptspeisen können es auch, fallen im Vergleich zum Crescendo der Mezze aber ein wenig ab. Mit Grieß gefüllte Wachteln (im Bild) sind, ebenso wie die gut gewürzten Rind-Lamm-Spieße, auf der eher trockenen Seite gebraten. Viel besser: der Eintopf aus winzigen Okraschoten und Lamm mit orientalischem Reis (unter anderem mit Fadennudeln gedünstet), der schon für sich allein zur Delikatesse gereicht. (Severin Corti, RONDO, 6.4.2018)