In Deutschland und Österreich wird mit zunehmender Vehemenz die Frage gestellt, ob der Islam zu Deutschland bzw. Österreich gehöre.

Das ist auf mehreren Ebenen zu beantworten. Da in Deutschland mehrere Millionen und in Österreich etliche Hundertausend Muslime leben, davon ein beträchtlicher Teil deutscher/österreichischer Staatsbürger, ist es wohl so, dass die anerkannte Religion "Islam" zu Deutschland/Österreich gehöre.

Von einer anderen Ebene gesehen hat der Islam noch keine sehr lange Tradition, weder in Deutschland noch bei uns. Als wirkliches Zahlenphänomen vielleicht 30 Jahre.

Und dann gibt es noch die ebenfalls argumentierbare Ansicht, der Islam sei mit seinem Totalitätsanspruch nicht vereinbar mit einer modernen, säkularen Gesellschaft, die Staat und Kirche trennt und keine Unterwerfung der gesamten Gesellschaft unter eine Religion kennt. Die unbequeme Wahrheit ist, dass auch der hiesige Islam eine Säkularisierung durchmachen und einen guten Teil seiner Ansprüche ablegen müssen wird.

Zugegebenermaßen stark überspitzt könnte man aber auch die Frage stellen, ob der "Katholizismus" (noch) zu Österreich gehört.

In einem traditionellen Osterinterview in der Presse bestand Kardinal Schönborn darauf, dass die "Volkskirche nicht tot" sei. Er bezog sich auf Papst Franziskus, der meinte, die Volksreligiösität sei in der säkularen Gesellschaft sehr wohl noch gegeben. Nach einer vielzitierten Studie des Vienna Institute of Demography (im Auftrag der Akademie der Wissenschaften) ist aber der Katholizismus (nicht unbedingt der Protestantismus) eindeutig auf dem Rückzug.

Seit der letzten Volkszählung 2001 ist die Zahl der Katholiken in Österreich von 75 auf 64 Prozent gesunken. Die Bevölkerung ohne Religionszugehörigkeit wuchs von zwölf Prozent auf 17 Prozent (2016), und die Muslime verdoppelten sich von vier auf acht Prozent (rund 700.000 Personen). Ein Wachstum zeigen allerdings die orthodoxen Christen von zwei auf fünf Prozent (rund 400.000 Personen). Der Anteil an Evangelischen blieb in den letzten Jahren konstant bei fünf Prozent.

Für Wien sind die Zahlen noch drastischer: Der Anteil der römisch-katholischen Bevölkerung sank von 49 (2001) auf nunmehr 35 Prozent, während der Anteil an Personen ohne Religionszugehörigkeit von 26 (2001) auf 30 Prozent (2016) anstieg; der Anteil von Muslimen von acht auf 14 Prozent. Nimmt man an, dass künftig die Zuwanderung stark zurückgeht, wird der Anteil der Konfessionslosen in ganz Österreich bis 2046 auf 28 Prozent und der Muslime auf zwölf Prozent steigen. Die Katholiken fallen unter 50 Prozent.

Der Katholizismus wird dann immer noch "zu Österreich gehören", weil seine kulturellen Traditionen stark sind. Aber ob man dann noch von einer wirklichen "Volkskirche" sprechen kann, ist wieder eine andere Frage. (Hans Rauscher, 3.4.2018)