Rund 3000 Apfelsorten gedeihen in Österreich, in den Regalen der Supermärkte ist davon nicht viel zu sehen. Dabei tragen gerade die alten, vergessenen Sorten besonders wertvolle Pflanzenstoffe in sich.

Foto: Elmar Gubisch

Wels – Im Ranking der gesunden Nahrungsmittel nimmt der Apfel eine Topposition ein. Was diese unprätentiöse Frucht für den Menschen so bekömmlich macht, verdeutlicht ein Blick in und unter seine Schale: Mehr als 30 Vitamine und Spurenelemente findet man dort, Kalium, Kalzium, Phosphor, Magnesium, Eisen und zahlreiche andere wichtige Mineralstoffe. Über einen Apfel freuen sich Zähne und Darm, und auch die Kalorienbilanz wird durch ihn nicht nennenswert strapaziert. Das in Äpfeln enthaltene Pektin senkt den Cholesterinspiegel, bindet Schadstoffe und schwemmt sie wieder aus.

Dazu gesellen sich auch noch die sekundären Pflanzenstoffe mit ihrer nachgewiesenermaßen antioxidativen Wirkung. Am Center of Excellence für Lebensmitteltechnologie und Ernährung an der FH Oberösterreich in Wels interessiert man sich vor allem für diese bioaktiven Inhaltsstoffe von Pflanzen und deren potenziell gesundheitsfördernde Wirkung. Da Äpfel besonders viele sekundäre Pflanzenstoffe – insbesondere Polyphenole – besitzen, stehen diese Kernobstgewächse seit Jahren im Zentrum mehrere Forschungsprojekte.

3000 Sorten in Österreich

"Polyphenole wirken auf unterschiedliche Weise auf der zellulären Ebene", erläutert Julian Weghuber, FH-Professor für Molekulare Zellphysiologie und Leiter des Centers of Excellence. "Sie hemmen beispielsweise die Aufnahme von Glukose und Fruktose im Dünndarm. Außerdem hemmen sie Zellrezeptoren, die bei der Entwicklung von Darmkrebs eine entscheidende Rolle spielen."

Dass etwa in Japan die Darmkrebshäufigkeit signifikant niedriger ist als in Europa, wird von Experten unter anderem auf den verbreiteten Konsum von grünem Tee zurückgeführt, in dem Polyphenole in hoher Konzentration vorkommen. Diese sekundären Pflanzenstoffe sind auch in Äpfeln enthalten – je nach Sorte allerdings in sehr unterschiedlicher Menge. "Zwar gibt es in Österreich an die 3000 Apfelsorten, doch die wenigen in unseren Supermärkten angebotenen Modesorten wie Gala oder Golden Delicious haben zehn- bis hundertmal weniger Polyphenole als viele der alten Sorten", sagt Weghuber.

"Geheimrat Oldenburg"

Eine dieser heute kaum noch kultivierten Apfelsorten mit besonders hohem Polyphenolanteil ist der "Geheimrat Oldenburg". Der Apfel mit dem pompösen Namen hätte im Rennen um die wenigen Plätze in den Supermarktregalen kaum Chancen: Wie viele ausgemusterte Sorten ist er nicht sehr gut lagerfähig, außerdem wäre er im Schönheitswettbewerb seinen für den gegenwärtigen Massengeschmack gezüchteten makellosen Konkurrenten hoffnungslos unterlegen.

In Zusammenarbeit mit der HBLA für Wein- und Obstbau Klosterneuburg haben die Forscher ungefähr 70 alte und moderne Apfelsorten vier Jahre lang regelmäßig untersucht, um unter anderem den Einfluss von Wetterbedingungen auf deren Inhaltsstoffe zu überprüfen. "Wir sind zwar gerade mitten in der Auswertung, doch schon jetzt lässt sich erkennen, dass die während des Untersuchungszeitraums unterschiedlichen Wetterbedingungen auf die Konzentration mancher Inhaltsstoffe großen Einfluss haben – jedoch abhängig von der Sorte."

Bioaktive Inhaltsstoffe

Das Wissen um diese Zusammenhänge und die genauen Daten dazu spielen vor allem bei der Entwicklung funktioneller Nahrungsmittel und Nahrungsergänzungsmittel eine wichtige Rolle, da diese mit bestimmten bioaktiven pflanzlichen Inhaltsstoffen angereichert werden.

Mit den Salzburger Landeskliniken haben die Lebensmitteltechnologen auch eine klinische Studie in Sachen Apfel durchgeführt. "Dafür mussten 36 Probanden einen Liter Apfelsaft mit einem genau definierten Polyphenolgehalt auf nüchternen Magen trinken", berichtet Weghuber. "Um zu überprüfen, ob und in welcher Menge die Polyphenole in den Körper gelangen, haben wir uns dann im Zweistundenrhythmus Harn und Blutplasma angesehen." Das Ergebnis: Die Polyphenole werden von den einzelnen Menschen sehr unterschiedlich aufgenommen. "Das hat wahrscheinlich unter anderem mit ihrer jeweils ganz individuell aufgebauten Darmflora zu tun", sagt Weghuber. Eine Erkenntnis, die noch weitere Forschung nach sich ziehen wird. (Doris Griesser, 9.4.2018)