Die Hoffnung liegt ganz auf Papst Franziskus: Innerkirchliche Reformer kritisieren aber eine zu laxe Haltung im Kirchenvolk.

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Wien – Frauendiakonat, verheiratete Männer als Priester, Aufgabe des Zölibats: Die Hoffnungen auf Reformen innerhalb der römisch-katholischen Kirche sind groß – auch bei den österreichischen Kirchenoberen. Zu den eher reformfreudigen Bischöfen zählt etwa der Linzer Manfred Scheuer. Beispiel Zölibat: "Der Zölibat ist im Verlauf der Kirchengeschichte immer wieder diskutiert worden. Das ist nicht erst unserer Generation eingefallen", sagt er im Gespräch mit dem STANDARD.

Dass es langfristig zu einer Öffnung kommen kann, habe er "schon vor 15, 20 Jahren gesagt". Wichtig erscheine ihm aber "gleichzeitig, dass man jetzt nicht die Sinnhaftigkeit dieser Lebensform wegwirft. Mit der Verachtung des Zölibats hat man noch nichts gewonnen." Und das Frauendiakonat? Für Scheuer steht fest: "Das ist durchaus eine wichtige Sache, die hoffentlich bald geklärt wird." Wenig überraschend tritt er auch für Verheiratete als Priester ein.

Dass derartig einschneidende Reformschritte in der kirchlichen Ordnung ewig dauern, weiß auch Scheuer. "Man kann die Kirche nicht mit einem Knopfdruck ändern. Die Frage ist: Wie können wir auch in umstrittenen Fragen einen Konsens finden, sodass wir weiter miteinander leben, feiern und glauben können?" Er hofft, dass es "Veränderungen gibt, auch in den angesprochenen Bereichen". Diese Hoffnung nährt ein Mann: Papst Franziskus. "Wenn, dann wird das unter diesem Papst passieren", ist der Linzer Bischof überzeugt: "In der Kirche hat sich, seitdem Papst Franziskus in den letzten fünf Jahren im Amt ist, doch einiges geändert. Manches, was davor ein Problem war, ist jetzt keines."

Katholische Komfortzone

Die ganze Last also nur auf des Papstes Schulter? Ein prominenter Kirchenmann warnt davor: Helmut Schüller, ehemaliger Generalvikar der Erzdiözese Wien und Obmann der Pfarrerinitiative, sieht die Schäfchen dieser Welt aktuell zu sehr in der katholischen Komfortzone. "Reformen sind ja nicht nur ein Werk des Papstes, es kommt ja sehr auf uns an. Und da herrscht aktuell das große Missverständnis unter vielen Katholiken vor, dass mit einem neuen Papst alles neu wird. Wir müssen aber selbst anfangen – notfalls auch da und dort ungehorsam erscheinen, um die Kirche voranzubringen. Das Bild, dass da einer in Rom sitzt und den großen Reformprozess startet, sehe ich durchaus problematisch."

Schüllers Bilanz fünf Jahre nach "Habemus Papam" fällt aber dennoch positiv aus. Papst Franziskus habe "viele Ausblicke geöffnet" und sehe die Kirche der Zukunft ganz nahe bei den Menschen. "Er spricht anders über Menschen, die sich ausgeschlossen fühlen. Und er hat immer wieder dazu aufgerufen, ihm Vorschläge zu machen, was etwa den Priestermangel betrifft. Nur ist da halt sehr wenig zurückgekommen", ist der Geistliche überzeugt.

Ungetrübte Reformfreude

Um die ungehorsamen Pfarrhausrebellen ist es unter dem Pontifikat von Franziskus aber auffallend ruhig geworden. Mit ihrem "Aufruf zum Ungehorsam" legten die Kirchenkritiker 2015 den österreichischen Bischöfen ein umfassendes Paket mit Reformforderungen auf den Tisch. Schwer zu ignorieren für die Heiligkeit, dass schon allein der Begriff "Ungehorsam" empfindlich am geltenden Kirchenrecht streift.

Und heute? Hat ein reformfreudiger Papst den Reformern nicht ihre Arbeitsgrundlage entzogen? Sind die Ungehorsamen gehorsam geworden? "Das ist nur die Wahrnehmung der Medien. Und nur weil wir nicht mehr ständig in der Zeitungen stehen, sind wir als Bewegung nicht tot. Man hat mich über Monate schlichtweg nicht gefragt", kontert Schüller. Man habe "Vorstöße gemacht, sich an den Papst gewandt, sich immer wieder zu Wort gemeldet". Schüller ortet ein "Katz-und-Maus-Spiel" mit den Medien: "Wir arbeiten ruhig und solide – aber das erregt halt offensichtlich zu wenig Aufmerksamkeit." Aktuell habe die Pfarrerinitiative "etwas mehr" als 400 Mitglieder.

Keine Gesprächsbasis

Gespräche etwa mit Kardinal Christoph Schönborn gebe es derzeit nicht. Schüller: "Man weiß, was wir wollen. Und man weiß, dass man das nicht will." Aber die Kirchenleitung in Österreich stehe ohnehin "mit dem Rücken zur Wand". Schüller: "Die Kirche in Österreich ist nach wie vor im Konflikt mit der Realität, was ein durchaus gefährlicher Konflikt ist. Es stellt sich nämlich die brisante Frage, ob sich die Menschen, die heute noch in den Gemeinden aktiv sind, schon bald irgendwohin verlaufen. Ich habe Sorge, dass die Klasse der Geweihten drauf und dran ist, die Kirche zugrunde zu richten."

Manchmal sind die Konflikte mit der Realität aber auch hausgemacht. So sorgte Kardinal Schönborn kürzlich für Irritationen, als dieser zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung der Bischofskonferenz in Sarajevo das Streben der Regierung nach einem Nulldefizit lobte, während die Caritas vor einer Demontage des Sozialstaates warnte. Der Kardinal habe auch die Frage gestellt, "wie sozial Schulden für kommende Generationen sind", sagt dazu Bischof Scheuer. Schönborn habe "auch angefügt, dass nötige Einsparungen öffentlich diskutiert werden müssen und es nicht sein darf, dass die Ärmsten oder die Schwachen den Preis zu zahlen haben". Es sei nicht zielführend, im Bereich jener, die am wenigsten haben, zu sparen. Das ist weder sozial gerecht noch ökonomisch auf Dauer zielführend – Stichwort Mindestsicherung.

Von einem Streit mit der Caritas will Scheuer daher nichts wissen, denn: Die Kirchenorganisation habe "grundsätzlich die Aufgabe, auf die Nöte hinzuweisen und für die Schwachen Partei zu ergreifen. Da ist sie eine notwendige, prophetische und auch politische Stimme." Manche würden sich vielleicht daran stoßen, "aber es kann ja auch eine Kontroverse sein, die letztlich zu etwas Positivem führt". (Peter Mayr Markus Rohrhofer, 1.4.2018)