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Über viele Generationen hinweg konnten Albatrosse im Midway-Atoll in aller Seelenruhe brüten. Doch nun hat sich zwar keine Schlange, aber dafür eine Maus ins Paradies geschlichen – und auch die ist tödlich.
Foto: AP Photo/Lucy Pemoni

Washington – Es steht wieder einmal eine groß angelegte Ausrottungskampagne gegen ein Säugetier an, das der Mensch auf einer Insel eingeschleppt hat, wo es großen ökologischen Schaden anrichtet. Wie die "Washington Post" berichtet, liegen bei der US-Naturschutzbehörde, dem Fish & Wildlife Service, bis 20. April Pläne zur Einsicht auf, wie diese Aktion im nordpazifischen Midway-Atoll aussehen soll.

Solche Kampagnen wurden in den vergangenen Jahrzehnten in verschiedenen Weltregionen immer wieder durchgeführt. Die Umstände sind diesmal aber etwas ungewohnter als zumeist. Das Tier, das es auszumerzen gilt, ist die gewöhnliche Hausmaus. Und das Opfer der Maus ist der Albatros – einer der größten flugfähigen Vögel der Welt, der seinerseits regelmäßig Beute fängt, die deutlich größer ist als eine Maus. Doch die kleinen Nager nützen geschickt seine Schwächen aus.

Washington Post

Die Mäuse schleichen sich von hinten an die brütenden Vögel an, springen ihnen auf den Rücken und schließlich auf den Kopf, wo sie zubeißen – mit dieser Hinterrücks-Taktik bleiben sie stets außer Reichweite des gefährlichen Schnabels. Die Abgelegenheit des Atolls hat dazu geführt, dass die Albatrosse generell nicht auf Feinde eingestellt sind. Dazu kommt dann noch ihr starker Brutinstinkt, der sie trotz heftiger Schmerzen lange auf ihrem Nest verharren lässt – manchmal auch zu lange.

Laut Fish & Wildlife Service gab es erstmals im Jahr 2015 Berichte über blutüberströmte Albatrosse auf Sand Island, der Hauptinsel des Atolls. Erst hielt man nach etwaigen Raubvögeln Ausschau, bis aufgestellte Kameras die tatsächlichen Täter entlarvten. Anfangs habe es sich noch um Einzelfälle gehandelt, doch habe das Phänomen rasch um sich gegriffen: Die Mäuse scheinen die Taktik voneinander zu erlernen. Laut der Naturschutzbehörde sind den Winzlingen inzwischen schon mindestens 1.000 Albatrosse zum Opfer gefallen, Jungtiere ebenso wie ausgewachsene mit zwei Metern Flügelspannweite.

Mäuse als "Vampire"

Der Umstand ist nicht zuletzt deshalb erstaunlich, weil Mäuse schon seit über 75 Jahren auf dem Atoll leben und erst jetzt ihre gefährliche Seite zeigen. Vogel-Experte Brad Keitt von American Bird Conservancy glaubt den Grund dafür zu kennen: Als die Überfälle begannen, wurde das Atoll gerade von einer Dürrephase heimgesucht. Keitt vermutet, dass die Mäuse auf der Suche nach Flüssigkeit waren und schließlich das Blut der Albatrosse als Ressource entdeckten.

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Präzedenzfall Gough Island: Mäuse fressen ein Albatrosküken an.
Foto: REUTERS/RSPB

Vollkommen aus heiterem Himmel kommt die Entdeckung für Biologen allerdings nicht: Ein Jahrzehnt zuvor wurde auf der anderen Seite der Welt ein vergleichbares Phänomen festgestellt. Auch auf der vulkanischen Insel Gough Island, mitten im Südatlantik gelegen, lassen sich verschiedene Seevogelarten zum Brüten nieder. Und auch hier begannen sich eingeschleppte Hausmäuse über die Brutkolonien herzumachen – erneut zählten Albatrosse zu ihren Opfern, insbesondere Jungvögel. 2019 soll eine Ausrottungskampagne anlaufen, von der man hofft, dass sie den Mäusen bis 2021 den Garaus machen wird.

Dass sich das Phänomen im Midway-Atoll indessen immer weiter ausbreitet, lässt bei Vogelschützern die Alarmglocken schrillen: Da auf dem Atoll an die 40 Prozent des weltweiten Schwarzfußalbatrosbestands und sogar 70 Prozent des gesamten Laysanalbatrosbestands brüten, ist ein Eingreifen dringend vonnöten.

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Ungeahnt blutrünstiger Räuber: die Hausmaus.
Foto: REUTERS/Ross Wanless

Ein Albatrospaar brütet pro Jahr oder auch nur alle zwei Jahre ein einziges Ei aus. Hausmäuse hingegen können bis zu achtmal pro Jahr Nachwuchs haben – und stets sind es Mehrlingsgeburten. Da sie schon mit sechs Wochen geschlechtsreif werden, können in einem einzigen Jahr aus einem Mäusepaar ganze Hundertschaften werden. Das Missverhältnis zwischen winzigem Jäger und großer Beute kehrt sich damit schnell ins Gegenteil um.

Die vorläufigen Pläne für Midway sehen unter anderem vor, per Hubschrauber Giftköder auszustreuen – wobei das Timing sitzen muss: Das Gift soll am Ende der Trockenzeit ausgestreut werden, wenn die Mäuse auf Nahrungssuche gehen, aber erst wenige Vögel auf den Inseln angekommen sind. (jdo, 31. 3. 2018)

P.S.: Und nein, hierbei handelt es sich nicht um einen Aprilscherz.