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Ta-Nehisi Coates: "Sklaverei war Grundlage für die amerikanische Demokratie selbst."

Dave Allocca / Action Press / Picturedesk

"Obama war die Verwirklichung ganzer Generationen", schreibt der US-Autor und Journalist Ta-Nehisi Coates, "eine schwarze Ambition, die so alt war wie das Land selbst." Coates lernte Obama als "einen begabten Politiker, einen zutiefst moralischen Menschen und einen der größten Präsidenten der amerikanischen Geschichte" zu schätzen.

"Großes" habe Obama erreicht, von der Reform des Gesundheitssystems über die Ehe für alle bis zur Auflösung des Systems privatwirtschaftlich betriebener Gefängnisse und der Ernennung der ersten Latina zur Richterin des Supreme Court. Zwar sieht Coates auch die Versäumnisse und setzt sich kritisch mit Obama auseinander: "Die Verbrechen des amerikanischen Staates gegen sein eigenes Volk wie auch die Bombardierungen im Jemen, in Afghanistan und dem Irak trugen nun den Stempel eines schwarzen Mannes." Doch ist Coates überzeugt, dass es das wert gewesen sei.

Alles war ein Traum

Sein eigener Lebenslauf legt Zeugnis ab von dem ungeheuren Aufbruch, den Obamas Präsidentschaft bewirkte. Als Versager hatte Coates sich gefühlt. Aus der Highschool geflogen und das College abgebrochen, war er in einem Arbeitsamt in Harlem gelandet. Mit Obama aber änderte sich sein Leben. "Alles war verheißungsvoll. Alles war im Aufschwung. Alles war ein Traum", beschreibt er sein Lebensgefühl im Herbst 2008 nach Obamas Wahlsieg. Vom Magazin The Atlantic erhielt er den Auftrag, ein Porträt Michelle Obamas zu schreiben. Damit brach für ihn und seine Familie eine Zeit der Entfaltung an.

Die acht Essays, die Obamas achtjährige Präsidentschaft begleiten, versammelte er, ergänzt um autobiografische Gedanken, 2017 nach dem Amtsantritt von Donald Trump in einem Band. In der Übersetzung von Britt Somann-Jung liegt We Were Eight Years in Power. Eine amerikanische Tragödie jetzt in deutscher Sprache vor. Der Titel ist allerdings kein Zitat Obamas. Er verweist vielmehr darauf, dass sich mit Obama etwas wiederholte, das Ende des 19. Jahrhunderts geschehen war. Der Kongressabgeordnete Thomas Miller aus South Carolina zog damals Bilanz über acht Jahre schwarzer Regierung.

Es waren die Jahre nach dem Wiedereintritt der Südstaaten in die Union, und Miller hoffte, die Menschen von der schwarzen Aufbauleistung zu überzeugen. Doch er scheiterte. Denn wie der amerikanische Bürgerrechtler W. E. B. Du Bois erklärte, wenn es etwas gegeben habe, das South Carolina mehr gefürchtet habe als "eine schlechte Negerregierung", dann sei es "eine gute Negerregierung" gewesen.

Wie im 19. Jahrhundert

Coates leitet daraus seine These ab: Eine "gute Negerregierung" verstärke "die weiße Vorherrschaft". Das war das Verhängnis von Miller im 19. Jahrhundert, und es ist das Verhängnis von Obama im 21. Jahrhundert. Tief wurzle der Rassismus in der amerikanischen Gesellschaft. Coates stellt sich die Frage, warum sich so wenige Schwarze mit dem Bürgerkrieg befassten. Dass er in der Schule kaum etwas darüber gelernt hat, lässt ihn eine Absicht hinter der Entfremdung von der eigenen Geschichte vermuten.

Geschaffen werden sollte ein Narrativ, das die Weißen wieder miteinander versöhnte. Die eigentliche Geschichte, dass eine Gruppe von Amerikanern versucht hatte, ein Land zu schaffen, das sich ganz auf die Leibeigenschaft von schwarzen Menschen gründete, sollte gar nicht zur Sprache kommen. Coates betont die Bedeutung der Sklaverei für Amerika. Sie bilde die Grundlage für weißen Wohlstand, weiße soziale Gleichheit "und damit für die amerikanische Demokratie selbst". Selbst das Kapitol und das Weiße Haus seien von Sklaven erbaut worden.

Benachteiligung hält an

Illustriert mit zahlreichen Lebensschicksalen, führt Coates aus, wie die Benachteiligung der Schwarzen in allen Lebensbereichen anhält. Er zieht eine Verbindung zwischen Sklaverei und den schlechten Lebensbedingungen schwarzer Menschen in der Gegenwart. Seine Einsichten bewegen ihn zu einem "Plädoyer für Reparationen". Die Ängste, die diese Forderung auslöst, sieht er nicht im finanziellen Aufwand: "Die Idee von Reparationen bedroht etwas viel Tieferes – Amerikas Erbe, Geschichte und Stellung in der Welt." Coates wiederholt damit den Vorwurf von James Baldwin, dass die Amerikaner die Wahrheit über ihre Geschichte und ihr Erbe leugneten. Sie seien nie eine weiße Nation gewesen. Die Forderung nach Reparationen verknüpft Coates mit der Forderung nach einer Aufarbeitung der Geschichte.

Die nicht bewältigte Geschichte und der ständig schwelende Rassismus, den Obamas Präsidentschaft neu entfachte, sind es, die Trump ins Weiße Haus brachten. Obama habe den Schwarzen die uralte Botschaft überbracht, dass alles möglich sei, wenn sie nur doppelt so hart arbeiteten wie Weiße, erläutert Coates. "Aber Trumps Entgegnung ist überzeugend: Arbeite nur halb so hart wie die Schwarzen, und noch mehr ist möglich." Sein Wahlsieg bilde "den schrecklichen Preis einer schwarzen Präsidentschaft". Obama schien ein Wahlsieg Trumps undenkbar. Er habe Trump genauso unterschätzt wie "die Macht des Weißseins". Aber die Weißen "wollten ihr Land wiederhaben".

In einem Epilog warnt Coates, dass die amerikanische Tragödie, an der jetzt gewirkt werde, größer sei, "als die meisten ahnen", und sie werde nicht mit Trump enden. (Ruth Renée Reif, 1.4.2018)