Was in den 1970ern hinter den Mauern des Ski-Internates Neustift passierte, ist längst nicht aufgearbeitet.

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Innsbruck – Auch wenn es medial ruhiger wurde, die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle im Skisport ist noch lange nicht vorbei. Immer wieder melden sich Betroffene bei Nicola Werdenigg, die im November 2017 als erstes Opfer ihr Schweigen gebrochen und damit eine regelrechte Lawine losgetreten hat. Und noch immer zögern viele der von sexuellen Übergriffen und Missbrauch betroffenen ehemaligen Zöglinge diverser Skikaderschmieden, sich an eine der dafür eingerichteten Anlaufstellen zu wenden.

Neue Vorwürfe aufgetaucht

Wie viel Überwindung dies kostet, zeigt ein aktueller Fall, von dem Werdenigg erfahren hat. Ein ehemaliger Schüler der Skihauptschule Neustift berichtet, im Internat mehrfach zum Ziel von Übergriffen durch zwei ehemalige Heimleiter geworden zu sein. Er belastet damit erstmals den Nachfolger jenes Mannes, der sich in den 1970ern an Buben vergriffen haben soll, dasselbe getan zu haben. Alle hätten es gewusst, aber niemand sei eingeschritten.

Darüber hinaus verdichten sich die Hinweise darauf, dass mehrere ehemalige Neustift-Schüler aus dieser Ära Suizid begangen haben. Ob und wie das in Zusammenhang mit möglichen Erfahrungen in der ehemaligen Skihauptschule steht, ist derzeit noch nicht bekannt. Doch die immer neuen Hinweise zeigen, dass offenbar noch nicht alles publik wurde, was damals im Internat passiert ist.

Werdenigg empfiehlt Tiroler Kommission

Werdenigg ermutigt alle Betroffenen, sich an die Kommission des Landes Tirol zu wenden. Dort ist man derzeit intensiv mit der Aufarbeitung der bereits gemeldeten Fälle beschäftigt, wie die Richterin und Kommissionsleiterin Andrea Wibmer-Stern sagt: "Wir werden im Mai einen Zwischenbericht vorlegen, bis dahin bitten wir um Verständnis, dass es von uns noch nicht mehr Informationen gibt." Auch die Staatsanwaltschaft Innsbruck ist noch mit Ermittlungen zum Thema befasst. Bis wann diese abgeschlossen sein werden, ist noch offen.

Auf Bundesebene hat sich die SPÖ-Abgeordnete Selma Yildirim des Themas angenommen und eine parlamentarische Anfrage an vier Ministerien – Unterricht, Familie, Sport und Inneres – gerichtet. Yildirim fordert eine zentrale Anlaufstelle und Kommission auf Bundesebene, um den Opfern das mühsame Hin und Her zwischen Institutionen zu ersparen.

SPÖ-Abgeordnete Yildirim kritisiert "halbherzige" Reaktion

Die Antworten aus Heinz-Christian Straches und Herbert Kickls Ministerien, die bis Donnerstagmittag eingelangt waren, kritisiert Yildirim als halbherzig: "Sie nehmen die Sache offenbar nicht ernst genug." Zwar werde anerkannt, dass es ein Problem mit Missbrauch im Sport gebe, allerdings ergreife man keine wirksamen Maßnahmen dagegen: "Die FPÖ verlangt sonst immer nach harten Strafen, nur hier nicht."

Yildirim plädiert dafür, öffentliche Subventionen im Sport davon abhängig zu machen, dass bestimmte Präventionsmaßnahmen umgesetzt werden. Aus dem Sportministerium heißt es dazu, man wolle es den Vereinen überlassen, wie sie das lösen.

Werdenigg unterstützt die SPÖ-Forderung nach zentralen Anlaufstellen, auch wenn sie die Arbeit der Tiroler Kommission ausdrücklich lobt. Sie selbst hat indes erste Kontakte zum ÖSV geknüpft. "Weil wir alle an einem Strang ziehen müssen, um so etwas in Zukunft zu verhindern", wie sie erklärt. Zudem befürworte sie die Bemühungen des Skiverbandes, für Aufklärung zu sorgen: "Es ist nun ein Bewusstsein da." (Steffen Arora, 30.3.2018)