Federica Mogherini und Aleksandar Vučić bei einem Treffen am Dienstag in Belgrad.

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Prishtina/Belgrad/Brüssel – Die kosovarische Regierung hat keine Mehrheit mehr. Die Partei Serbische Liste, die sich aus dem Kabinett zurückgezogen hat, stellt ein Ultimatum: Wenn bis 20. April der geplante serbische Gemeindeverband nicht von den kosovarischen Institutionen gebildet wird, will man es selbst tun – ohne die Hilfe der Regierung in Prishtina. Diese wiederum kündigte an, in diesem Fall Verhaftungen vorzunehmen. Streit, Misstrauen, feindliche Rhetorik: Das ist das Ergebnis der dieswöchigen Eskalation zwischen dem Kosovo und Serbien. Beobachter meinen, dass der Dialog zwischen den beiden Staaten nun endgültig gestorben sei.

Der Hintergrund: Am Montag war der serbische Regierungsdirektor für den Kosovo, Marko Djuric, in Mitrovica im Nordkosovo in einer aufsehenerregenden Aktion der kosovarischen Sondereinheit Rosu festgenommen worden. Er war in den Kosovo eingereist, obwohl die kosovarischen Behörden ihm dies untersagt hatten und die serbische Delegation an der Grenze zurückgewiesen worden war. Doch offenbar hatte er dann einen "geheimen" Weg für die Einreise genutzt, war also nicht über einen offiziellen Grenzübergang gekommen.

Anruf nach Moskau

Rosu ging mit aller Härte vor, Djuric wurde später in Prishtina in Handschellen den Medien vorgeführt. Serbiens Präsident Aleksandar Vucic reagierte äußerst emotional, rief den russischen Präsidenten Wladimir Putin an und drohte angeblich sogar, mit der Armee einzumarschieren. Jedenfalls nannte er die kosovarische Polizei "Terroristen" und benutzte eine radikal nationalistische Rhetorik wie in den 1990er-Jahren.

Sämtliche Beobachter sind sich einig, dass die Eskalation bewusst in Kauf genommen wurde. Serbien hatte gewusst, dass Djuric verhaftet werden würde. Man ging auch diesmal nach dem üblichen Schema vor: Zunächst schaffen die Politiker in Südosteuropa Krisen und profitieren dann innenpolitisch davon, dass sie als Krisenbewältiger auftreten.

Keine klaren Vorgaben

Die EU spielt mit. Verantwortung dafür, dass es überhaupt zu dieser Situation kam, liegt auch beim Büro der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini, die es seit Monaten nicht zustande bringt, klare Vorgaben zu formulieren, wenn es um die Beziehung zwischen den beiden Staaten geht. So hat Mogherini zwar angekündigt, dass es im nächsten Jahr zu einem historischen bilateralen Abkommen zwischen Serbien und dem Kosovo kommen soll, doch weil sie keine roten Linien benannte, nutzten beide Seiten dieses Vakuum.

So wurde von serbischer Seite immer öfter die Idee einer Teilung des Kosovo, also eine Abspaltung des Nordens oder ein Gebietsaustausch mit dem hauptsächlich von Albanern besiedelten Presevo-Tal in Serbien, aufgebracht. Eine solche Grenzziehung entlang ethnischer Linien wurde seitens des Westens immer ausgeschlossen, weil es die Sicherheitsarchitektur auf dem Balkan und insbesondere den Staat Bosnien-Herzegowina massiv gefährden würde.

Verunsicherung auf dem Balkan

Der deutsche Balkan-Experte Bodo Weber meint, dass man im Büro Mogherini auf die Bildung der deutschen Regierung und die Position in dieser Sache gewartet habe. Das habe zu Verunsicherung auf dem Balkan geführt. Bis zum Sommer solle aber ein Plan im Büro Mogherini vorliegen.

Der kosovarische Politologe Krenar Gashi glaubt, die kosovarische Reaktion sei darauf zurückzuführen, dass man durch die Einreise Djurics den Eindruck hatte, dass Serbien im Kosovo "Staat spielen" wolle und indirekt Souveränität über das Gebiet des Nordkosovo anmeldete. "Der kosovarische Staat wollte darauf verweisen, dass das Monopol bei ihm liegt", so Gashi.

Alles wieder verhandelbar

Bedenklich sei aber, dass mit der Eskalation "nun alles wieder verhandelbar wird", meint Gashi – also auch bereits mithilfe der EU geschlossene Vereinbarungen. Gashi denkt aber, dass die "Serbische Liste" wieder in die Regierung zurückkehren wird, weil sie andernfalls nur verlieren würde. Der serbische Gemeindeverband wurde bereits vor fünf Jahren beschlossen und sollte längst geschaffen sein. Der Wiener Politologe Vedran Dzihic meint, es wäre dringend notwendig, dass Mogherini beide Seiten zum Gespräch nach Brüssel ruft und mit einem stringenten Plan vorgeht. (Adelheid Wölfl, 30.3.2018)