Fotos: Lupi Spuma

Wien – Mit Bildern von lecken Dachschrägen und plastikbehangenen Computern wusste bereits vor Jahren Michael Schottenberg als Volkstheaterdirektor bei Pressekonferenzen zu überzeugen. Dass die computergesteuerte Bühnentechnik immer noch anstandslos läuft, grenzt bald an ein Wunder. Denn das Haus am Weghuberpark ist so sanierungsbedürftig wie nur was. Das Vorhaben geistert schon Jahre durch die Stadt. Abgesehen von akut notwendigen Arbeiten wie der Dachreparatur, die noch diesen Sommer in Angriff genommen wird, soll die heiße Bauphase aber erst im Frühjahr 2019 starten.

Anna Badora, künstlerische Direktorin am Wiener Volkstheater, und Cay Stefan Urbanek, kaufmännischer Direktor, haben aufregende Jahre vor (und hinter) sich: Im Frühjahr 2019 soll nun endlich die Sanierung des Hauses in Angriff genommen werden. Bereits diesen Sommer wird das Dach repariert.
Foto: Lupi Spuma

Eine echte Volkstheaterdirektorin hält durch. Anna Badora, die das Haus seit 2015 leitet und spätestens während ihrer Zeit als Generalintendantin am Düsseldorfer Schauspielhaus (1996-2006) eine versierte Kämpferin an der Kulturfront geworden ist, macht nach und nach Nägel mit Köpfen. Auch wenn das nicht immer zur Kenntnis genommen wird.

Derzeit steuert das Volkstheater mit dem David-Bowie-Musical Lazarus auf einen Höhepunkt der Spielzeit zu. Die Premiere am 9. Mai kann durch die Sanierungsverschiebung ganz normal im Haupthaus stattfinden. Das Odeon als Ersatzspielstätte wurde obsolet. Die Abschlagszahlung ist nicht schön, aber unumgänglich.

Warum wurde die Verschiebung notwendig? Als gäbe es der Schwierigkeiten nicht genug (zum Beispiel gehen dem Haus durch die fehlende Valorisierung jährlich 300.000 Euro durch die Lappen), spielten dem Volkstheater die Preissteigerungen in der Baubranche übel mit. Von ihnen ist übrigens auch die laufende Sanierung der Secession betroffen. Aufgrund des Baubooms "waren keine Fixpreise zu erfahren", so Badora: "Bei der Ausschreibung wurden wir dann mit absurd teuren Angeboten konfrontiert."

Es musste umgeplant und neu ausgeschrieben werden. 27,5 Millionen Euro stehen zur Verfügung (3,5 Millionen will das Volkstheater selbst erbringen) – eine Summe, für die in Deutschland, so der kaufmännische Direktor Cay Urbanek, "gar nichts passiert". Mäkeln wolle man aber nicht. "Wir mussten stark priorisieren, fühlen uns mit den derzeitigen Mitteln aber wohl", sagt Urbanek.

Zum Beispiel eine Messehalle

2019 wird mit Renovierungen gestartet, die den Spielbetrieb nicht beeinträchtigen (Fassade), im Frühsommer soll die Baustelle dann ausgedehnt werden; den Juni über kann vermutlich nicht mehr ganz durchgespielt werden. Eine Ersatzspielstätte bis zur geplanten Wiedereröffnung im Winter 2019/20 könnte, so Urbanek, "zum Beispiel eine Messehalle" sein. Es wird noch abgewägt.

Echte Player der Baubranche zeigten für den scheinbar kleinen Auftrag des Volkstheaters kein gesteigertes Interesse, mussten die beiden Direktoren verblüfft zur Kenntnis nehmen. Jetzt sind sie auf Subunternehmen ausgewichen, die sich nicht davor scheuen, die den Auflagen des Bundesdenkmalamts unterliegende Sanierung durchzuführen.

Einige hehre Vorhaben fallen den neuen Rahmenbedingungen zum Opfer, etwa ein unterirdisches Dekorationslager, von dem alle träumen, weil es das Fehlen einer Seiten- und Hinterbühne kompensiert hätte. Badora: "Das wäre eine andere Preiskategorie gewesen."

Ein neues Kaffeehaus im Trakt der ehemaligen Wageneinfahrt auf der Burggassenseite, wo künftig auch der Haupteingang geplant ist (die Terrasseneingänge bleiben), soll als "Frequenzbringer" fungieren, also Publikum anziehen. Und dieses hat das Volkstheater ziemlich nötig. Die viel beschworene Auslastung liegt mit knapp 70 Prozent zwar über dem Anfangswert von Schottenberg (60 Prozent), doch ist sie nicht gerade rosig, zumal Badora inzwischen die dritte Spielzeit erreicht hat, der Publikumsumbruch also großteils vollzogen sein müsste.

Lebendiger Hundsturm

Badora konnte indes künstlerisch Akzente setzen, wenn auch einzelne Produktionen herbe Enttäuschungen waren. Sie ist dabei, mit ihrem Team die Kurve zu kratzen in Richtung zeitgenössische Theaterkunst, die sich formal von knarzender Stadttheaterästhetik abhebt und experimentierfreudig zeigt. Das hat einerseits mit namhaften Regisseuren zu tun, die im ganzen deutschen Sprachraum an ersten Häusern arbeiten – darunter Dusan David Parízek, Yael Ronen, Stephan Kimmig, Victor Bodó oder, nun mit Lazarus wieder am Haus, Milos Lolic.

Das hat aber auch mit einer entschiedenen Bereitschaft zu tun, junge Talente wahrzunehmen und ihnen Raum zum Ausprobieren zu gewähren. So lebendig wie jetzt war jedenfalls der Hundsturm – nunmehr Volx Margareten – schon lange nicht mehr.

Inszenierungen von Yael Ronen wären am Akademietheater ausverkauft, vermuten einige. Warum aber nicht am Volkstheater? "Gründe dafür suchen wir noch", sagt Badora. Cay Urbanek stellt einen grundsätzlichen Wandel im Publikumsverhalten fest. Für viele Mittdreißiger "ist das Abo heute keine Option mehr." Interessen seien breiter gestreut, und man wolle spontan entscheiden.

Die am Volkstheater bereits regelmäßig installierten fremdsprachigen Übertitelungen könnten ein Werkzeug sein, um neues Publikum anzusprechen. (Margarete Affenzeller, 29.3.2018)