Das neue ÖGB-Programm wurde noch federführend von Erich Foglar (rechts) koordiniert. Ab Juni wird dann Wolfgang Katzian das Ruder in der Gewerkschaft übernehmen.

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Wien – Als Erich Foglar vor 47 Jahren eine Lehre als Werkzeugmacher begann, waren Begriffe wie Digitalisierung und Robotik eher etwas für Science-Fiction-Filme, jedenfalls waren sie nicht Schwerpunkt der gewerkschaftlichen Arbeit. Mittlerweile hat sich das geändert. In den vergangenen Monaten wurde ein neues ÖGB-Programm erarbeitet, in dem sich die Digitalisierung quer durch alle Themen zieht. Am Mittwoch wurde es vom Bundesvorstand einstimmig beschlossen, beim Bundeskongress Mitte Juni soll das 123-seitige Papier mit dem Titel "Faire Arbeit 4.0" dann als Leitantrag verabschiedet werden.

Foglar, der beim Bundeskongress vom bisherigen Chef der Privatangestelltengewerkschaft Wolfgang Katzian abgelöst wird, geht davon aus, dass sich die neue Arbeitswelt auch massiv auf die Gewerkschaftsbewegung auswirken wird.

Öffnung nötig

"Die Öffnung der Gewerkschaft ist unabdingbar", sagt er und verweist auf neue Arbeitsformen wie Crowdworking, wo Jobs über Onlineplattformen, die zum Teil im Ausland sitzen, vermittelt werden und die deshalb außerhalb aller Kollektivverträge stehen. "Sie sind die wahren prekären Beschäftigten." Auch wenn man hier noch nicht Antworten auf alle Fragen habe, müsse die Gewerkschaft versuchen, diese arbeitnehmerähnlichen freien Dienstnehmer in das Arbeitsrecht und in die KVs einzubeziehen, findet der scheidende Präsident.

Im Bereich der Arbeitszeit wird im neuen Programm nicht mehr apodiktisch eine Verkürzung auf 35 Stunden pro Woche gefordert. Hier sei man durchaus zu "flexiblen Lösungen" bereit, meint Foglar. "Denn Nine-to-five-Jobs gehören immer mehr der Vergangenheit an." Klar sei aber, dass jede Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich erfolgen müsse.

Mehr Freizeit

Eine sechste Urlaubswoche für alle findet sich ebenso im Forderungskatalog der Gewerkschafter wie der Wunsch nach einer gesetzlichen Wahlmöglichkeit zwischen Zeitausgleich und Auszahlung von Überstunden oder das Nachholen von Feiertagen, die auf das Wochenende fallen. In Sachen Mindestlohn drängt man weiter auf 1.700 Euro brutto im Monat, wobei man auch für eine "stärkere Anhebung der Löhne und Gehälter in frauendominierten Branchen" ist.

Die im Regierungsprogramm in Aussicht gestellte Ausweitung des Zwölfstundentages lehnt die Gewerkschaft weiterhin ab. Skeptisch betrachtet werden die anstehenden Reformen bei Arbeitsmarktservice und Krankenkassen. Hier befürchtet Foglar, dass man nur aus "ideologische Gründen" die Sozialpartner rausdrängen und durch Regierungsvertreter ersetzen will, ohne dabei zu fragen, "ob das auch Vorteile für die Versicherten bringt".

Mehr Mitglieder

Bei den Mitgliederzahlen wurde zuletzt offenbar der Turnaround geschafft. Ende 2017 gab es exakt 1.205.698 Mitglieder, was einen Anstieg um 5.000 gegenüber 2016 bedeutet. Der Trend ist aber nicht einheitlich. Vier Gewerkschaften verzeichneten ein Plus, drei ein Minus (siehe Grafik). Neben der Produktionsgewerkschaft darf sich vor allem die Gewerkschaft öffentlicher Dienst über einen kräftigen Mitgliederzuwachs freuen. (go, 28.3.2018)