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Die Liste von Ex-Entscheidungsträgern aus Wirtschaft und Politik, die sich in den Dienst Moskaus gestellt haben, ist lang. Neuerdings gehört Hans Jörg Schelling dazu.

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Wien – So richtig rund ist das Projekt einer Gasleitung parallel zur bestehenden Röhre Nord Stream 1 nie gelaufen. Von Anfang an gab es klare Fronten in Europa. Auf der einen Seite Deutschland, Österreich, Niederlande, die eine Verdoppelung der Ostseeleitung auf 110 Milliarden Kubikmeter begrüßten; auf der anderen Seite Ukraine, Polen, Litauen und Dänemark, die Njet sagen. Und die EU-Kommission? Die ist ebenfalls dagegen, von Beginn an.

Brüssel fürchtet, dass die Abhängigkeit Europas durch den Bau einer zweiten Leitung durch die Ostsee (Nord Stream 2) steigt und Bestrebungen zuwiderläuft, die Bezugsquellen zu diversifizieren. Dieses Argument hat etwas für sich. Andererseits war Russland selbst am Höhepunkt des Kalten Kriegs gegenüber Europa immer vertragstreu, was Gaslieferungen betrifft – freilich auch in eigenem Interesse. Hätte Moskau das Gas als Erpressungsinstrument genutzt, hätte sich Europa längst anderweitig umgeschaut.

Geostrategische Bedeutung

Russland jedenfalls will die Pipeline unbedingt, hat sie doch eminent geostrategische Bedeutung für Moskau. Deshalb wird auch das Beraternetzwerk jetzt noch enger gezogen. Jüngster Zugang ist Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP). Er soll, wie berichtet, künftig dem Nord-Stream-2-Konsortium mit Rat und Tat zur Seite stehen. Am Konsortium ist mit zehn Prozent auch die OMV beteiligt. Das ist insofern pikant, als es gerade Schelling war, der 2015 als für den OMV-Anteil des Staates (31,5 Prozent) zuständiger Minister Rainer Seele als Nachfolger von Gerhard Roiss an der OMV-Spitze verantwortet hat. Seele hat nie ein Hehl daraus gemacht, dass die Zusammenarbeit mit Gazprom für ihn oberste Priorität hat. Mit dem Beratervertrag von Schelling scheint sich der Kreis nun zu schließen.

Die Liste von Ex-Entscheidungsträgern aus Wirtschaft und Politik, die sich in den Dienst Moskaus gestellt haben, ist lang. Der prominenteste ist sicher der deutsche Altkanzler Gerhard Schröder. Der Sozialdemokrat ist kurz nach seiner Kanzlerschaft 2005 dem Ruf von Präsident Wladimir Putin gefolgt. Aktuell ist Schröder Verwaltungsratschef von Nord Stream 2.

Ein anderer Deutscher, Matthias Warnig, gilt ebenfalls als enger Vertrauter von Putin. Der frühere Chef der Dresdner Bank Russland und vormalige Hauptmann im Ministerium der Staatssicherheit der DDR war zudem bis 2016 Geschäftsführer von Nord Stream 2.

Und ein gewisser Burckhard Bergmann, Ex-Vorstandsvorsitzender von Eon-Ruhrgas, war jahrelang im Aufsichtsrat der Nord-Stream-2-Mutter Gazprom. Aktuell sitzt der Ex-Manager im Aufsichtsrat von Novatek, dem Hauptkonkurrenten von Gazprom am Inlandsmarkt. Das Beziehungsgeflecht ließe sich beliebig fortsetzen. Ob es im Endeffekt etwas bringt? Die Chancen waren trotz verstärkten Lobbyings schon einmal besser.

Frostiges Klima

Mit dem Rückruf des EU-Botschafters aus Moskau in Reaktion auf den mutmaßlich vom Kreml angeordneten Anschlag in London auf einen früheren russischen Agenten und dessen Tochter und der Ausweisung russischer Diplomaten ist das Klima frostig wie schon lange nicht. Zwar liegt die Baugenehmigung aus Deutschland für die Ostseepipeline inzwischen vor, jene aus Finnland, Schweden und Dänemark fehlt aber noch immer, wobei sich insbesondere Dänemark widerspenstig zeigt.

Russland liefert jetzt schon rund ein Drittel des in Europa benötigten Gases. Im Vorjahr hat die teilstaatliche russische Gazprom mit 190 Milliarden m3 so viel Erdgas nach Europa verkauft wie nie. Weil die Gasförderung in Europa zurückgeht, würde der Anteil von Russengas auch ohne neue Pipeline automatisch zunehmen.

Abgesehen von Ängsten, dass die Abhängigkeit von Moskau in einem so sensiblen Bereich wie es die Energie ist, steigen wird, fürchtet Brüssel eine Situation, in der die Ukraine ohne wichtige Einnahmequelle dasteht und noch instabiler wird. Leitet Russland nämlich den Großteil des Gases durch die Ostsee an der Ukraine und Polen vorbei, fallen beide Länder um wichtige Transitgebühren um. In der Ukraine allein sind das rund zwei Milliarden Euro pro Jahr. (Günther Strobl, 28.3.2018)