Die 1980er-Jahre hätten der Menschheit erspart bleiben können. Ein unberechenbarer US-Präsident, Wettrüsten von Ost und West, Waldsterben, Hungersnöte in Afrika und das Aufkommen der Immunschwäche Aids. Dazu Bands wie Modern Talking, modische Schwerstverbrechen wie Vokuhila-Frisuren (vorn kurz, hinten lang) und die Wahl von Kurt Waldheim zum österreichischen Bundespräsidenten. Immerhin fiel 1989 die Berliner Mauer, und viele Teenager fanden in diesen Zeiten eine Liebe, die für sie wohl nie zu Ende geht. In ihren Kinderzimmern erstrahlte am Commodore 64 (C64) erstmals die neue Welt der Computer.

Die ewige Treue seiner einstigen Besitzer zeigt sich dieser Tage. Am kommenden Donnerstag, dem 29. März, kommt eine Neuauflage des Homecomputers in den Handel. Mit dutzenden vorinstallierten Spielen verspricht der C64 mini für 80 Euro eine Zeitreise in die eigene Jugend. Ein Angebot, das ankommt. Schon jetzt ist das Gerät vielerorts ausverkauft, da es massenhaft vorbestellt wurde.

Der 64er, ein Diskettenlaufwerk und eine Floppy-Disk

Der wegen seines Aussehens neckisch "Brotkiste" oder einfach "64er" genannte Rechner wurde im Jänner 1982 auf der Consumer Entertainment Show (Ces) in Las Vegas erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt und eroberte in Windeseile die Herzen einer ganzen Generation, deren Eltern keine Probleme mit dem Verkaufspreis von einigen Tausend Schilling hatten. In den folgenden Jahren sollte sich der C64 mehr als 30 Millionen Mal verkaufen – er hält damit bis heute den Weltrekord als populärster Homecomputer aller Zeiten. Seine Produktion wurde erst 1994 eingestellt.

Der C64 strahlte eine enorme Anziehungskraft aus. Wer einen besaß, hatte ständig Besuch von (neuen) Freunden, die unbedingt damit spielen wollten. Kinder brachten sich selbst das Programmieren bei oder erstritten, ihre Hausübungen am C64 erledigen zu dürfen. Das Ergebnis wurde dann ausgedruckt den Lehrern übergeben.

Der Start-Bildschirm des C64.

Für die meisten seiner Nutzer war der Homecomputer eine Spielkonsole. Legendär waren Spiele wie Winter Games, Adventures wie Zak McKracken oder das Prügelspiel International Karate Plus. Dabei scherte es kaum jemanden, dass fast ausschließlich sogenannte "Raubkopien" genutzt wurden. Es war damals üblich, einige Hundert kopierte Programme zu besitzen, und die wenigsten Besitzer hatten deshalb ein schlechtes Gewissen. Eine Besonderheit jener Tage war, dass es schwer war, Computerprogramme zu kaufen.

Es gab zwar in den größeren Städten einige Geschäfte und Elektroketten mit entsprechendem Sortiment, es war aber viel einfacher, an Kopien zu kommen. Entweder man tauschte Disketten in der Schule oder kaufte sie zu Billigpreisen bei windigen "Händlern", die ihr Angebot mittels Kleininseraten in Zeitschriften bewarben.

Das beliebte Spiel "California Games"
Foto: Kochmedia

Im derStandard.at- Forum beschrieb der Poster "Harry Humboldt" den Besuch bei einem solchen Händler wie folgt: "Otto, Kettenraucher um die 40 und selbstgestochene Peckerln am Arm, öffnete meist im Unterleiberl. Er hatte wirklich Wandschränke voll mit Diskettenboxen. Und wir konnten alles um zehn Schilling pro Diskette kopieren. Und immer, wirklich immer, wenn wir kamen, saßen schon ein oder mehrere andere adoleszente Kunden am Küchentisch oder kamen gerade, während wir dort waren. Otto muss ein Vermögen verdient haben."

Die Händler bekamen ihre Software aus Deutschland, den USA oder Skandinavien. Dort hatte sich eine Subkultur der "Cracker" und Kopierer gebildet, die Spiele über Mittelsmänner direkt von Softwarefirmen erhielten, den zugehörigen Kopierschutz entfernten ("crackten") und sie dann weiterverteilten. Österreichische "Cracker" waren eine Seltenheit. Die Ausläufer dieser Subkultur sind heute noch spürbar. Sie bereiten der Software-, Film- und Musikwirtschaft weiterhin Kopfzerbrechen und Umsatzeinbußen.

Das legendäre Spiel: Impossible Mission II
Foto: Koch Media

Der Erfolg des C64 ist untrennbar mit Commodore-Gründer Jack Tramiel verbunden, der die Technikbranche über Jahrzehnte prägte. Im Gegensatz zu seinen damaligen Konkurrenten, wie den Apple-Gründern Steve Jobs und Steve Wozniak, war Tramiel kein Kind der kalifornischen Flower-Power-Ära, sondern als Überlebender des nationalsozialistischen Holocausts in die USA gekommen.

1928 als Jacek Trzmiel im polnischen Łódź geboren, wurde er nach dem Überfall auf Polen wegen seiner jüdischen Herkunft zuerst in das Ghetto von Łódź deportiert, später verschleppten ihn die Nazis in das Konzentrationslager Auschwitz und in ein Arbeitslager bei Hannover, ehe er 1945 von der US-Armee befreit wurde. Nach dem Krieg wanderte Trzmiel in die USA aus und änderte seinen Namen in Jack Tramiel.

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Jack Tramiel (dritter von links) mit seinen Söhnen.
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Dort gründete er eine Reparaturfirma für Schreibmaschinen, stellte später selbst solche Geräte her und entwickelte schließlich Taschenrechner sowie Computer. Mit der Übernahme des Chip-Produzenten MOS Technology und der Entwicklung des 1977 vorgestellten PET 2001 (Personal Electronic Transactor), Commodores erstem Computer, legte er den Grundstein für den späteren Erfolg. Da das Unternehmen selbst Chips produzierte, konnte es seine Computer zu aggressiven Preisen verkaufen. "Geschäft ist Krieg", sagte Tramiel damals, "und du musst dabei der Sieger sein."

Gemäß seinem Motto "Computer für die Massen – nicht für die Klassen" stellte Tramiel im Juni 1980 den VC 20 vor. Das war damals der erste Kleinrechner, von dem mehr als eine Million Stück verkauft wurden. Ihm folgte schon der C64. Beide Rechner wurden als Alternative zu den damals populären Spielekonsolen positioniert.

Ein Klassiker: Uridium
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Der Ingenieur Bob Yannes, der den Soundchip des C64 entwickelte, erinnert sich an das verlockende Marketingprogramm: "Wollen Sie Ihrem Kind wirklich ein Computerspiel kaufen, das sein Hirn verkümmern lassen wird, oder einen Computer, mit dem man eben auch Videospiele spielen kann?" Das funktionierte.

Als Jack Tramiel in seiner hemdsärmeligen Art in dem inzwischen börsennotierten Unternehmen einen seiner Söhne im Topmanagement platzieren wollte, wurde er 1984 von den Aufsichtsgremien aus seinem Unternehmen gedrängt. Mit den Erlösen aus dem Verkauf seiner Commodore-Aktien übernahm er die angeschlagene Spielkonsolenfirma Atari.

Der "C64 Mini" kommt am Donnerstag in den Handel.
THE C64

Dort ließ er erneut ein Erfolgsmodell konstruieren. Der 1985 vorgestellte Atari ST war seine Antwort auf Commodores C64-Nachfolger Amiga. Beide Rechner versammelten eine treue Fangemeinde um sich. Die Amiga verfügte über die besseren technischen Fähigkeiten, dafür war der Atari günstiger zu haben. Mit dem Erfolg von Microsofts Windows Anfang der 1990er-Jahre sank der Stern von Atari wieder.

Außerhalb der Computerbranche machte sich Tramiel als Förderer des Holocaustmuseums in Washington und des Museums für die Geschichte der polnischen Juden in Warschau einen Namen. Abschied von der Öffentlichkeit im Silicon Valley nahm Tramiel vor zwölf Jahren, bei einer Feier zum 25-Jahre-Jubiläum des C64 im Computer History Museum in Mountain View. Tramiel starb am 8. April 2012 im kalifornischen Monte Sereno. (Markus Sulzbacher, 25.3. 2018)