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Paradeiser aus dem beheizten Gewächshaus in Österreich haben eine schlechtere CO2-Bilanz als jene, die aus ungeheizten Gewächshäusern in Spanien kommen.

Foto: REUTERS/Michael Kooren

Salzburg – Hoher Wasserverbrauch, fossil geheizte Glashäuser und weite Transportwege machen Paradeiser zu einem Lebensmittel mit einer schlechten Ökobilanz. Trotzdem sind sie ein Dauerbrenner in den Supermarktfilialen -mittlerweile das ganze Jahr über. 29 Kilo Tomaten verspeist der Österreicher im Schnitt pro Jahr. Die niederländische Journalistin und Autorin Annemieke Hendriks hat sich sieben Jahre lang mit den in Europa produzierten Tomaten beschäftigt und eine umfangreiche Reportage darüber geschrieben.

Für das Buch hat Hendriks in einem Dutzend ost- und westeuropäischen Ländern recherchiert. Im Zentrum stehen die Menschen hinter der Tomatenproduktion, aber auch gängige Mythen deckt die Autorin auf. Etwa die Vorstellung von der regionalen Tomate.

"Speziell in Österreich gibt es diese Freilandromantik. Aber die Tomaten wachsen in den Niederlanden, Deutschland und Österreich in Gewächshäusern, denn sie sind bei uns eigentlich nicht heimisch. Diese Gewächshäuser sind überall gleich. Es ist völlig egal, wo das Gewächshaus steht. Die Tomaten wachsen auch nicht auf österreichischem oder regionalem Boden, sondern auf Steinfaser oder Kokospackungen", sagt Hendriks im STANDARD-Gespräch vor ihrer Lesung in Salzburg. Auf 180 Hektar werden Tomaten in Österreich in Glashäusern oder unter Folien angebaut, nur auf acht Hektar wachsen Freilandtomaten.

Die verwendeten Samen kommen zudem meist aus den Niederlanden. Etwa ein Drittel des weltweit kommerziell verbreiteten Tomatensaatguts wird dort entwickelt. Ein Kilogramm Tomatensamen kostet zwischen 30.000 und 90.000 Euro. "Heute sind gerade einmal zehn Samenhäuser für 85 Prozent des Weltmarkts an Gemüsesamen verantwortlich", sagt Maarten van der Leeden von dem niederländischen Saatgutproduzenten Rijk Zwaan in dem Buch.

Hoher Stromverbrauch

Auch mit dem weitverbreiteten Glauben, die regionale Tomate sei nachhaltiger, weil sie nicht so weit transportiert werden muss, räumt Hendriks auf: "Das ist ein Missverständnis. Die üblichen Tomaten, die in Österreich in einem Gewächshaus wachsen, sind genauso wenig nachhaltig. Sie werden oft mit wahnsinnigen Mengen an Gas geheizt."

Eine Studie der österreichischen Wissenschaftlerin Michaela Theurl zeigt, dass Paradeiser, die aus ungeheizten Gewächshäusern in Spanien kommen, trotz Transports eine günstigere CO2-Bilanz aufweisen als Tomaten aus beheizten Glashäusern in Österreich. Es gebe nur wenige Ausnahmen wie etwa in Bad Blumau, wo das Gewächshaus mit Thermalwasser beheizt wird, meint Hendriks. Hinzu kommt das künstliche Licht. Ein mittelgroßer Tomatenanbauer verbraucht im Winter so viel Strom wie 20.000 Privathaushalte. In den Niederlanden werden neun Prozent der Elektrizität für den Gartenbau verbraucht. Dafür benötigt man ein Zehntel des Erdgases des Landes.

"Am Fahrrad zum Bauern fahren"

Die Konsumenten tragen zu der schlechten Ökobilanz bei. "Das Problem ist, dass die Leute das ganze Jahr über Tomaten essen wollen. Ansonsten wäre die Lösung: Jeder müsste auf dem Fahrrad zu einem der kleinen regionalen Tomatenanbauer fahren, die ohne fossile Brennstoffe produzieren, und den Rest des Jahres auf Tomaten verzichten", sagt Hendriks.

Die Journalistin räumt auch mit dem Mythos der Gentomate auf. Gentechnisch veränderte Tomaten gibt es im Handel nicht. In den 90er-Jahren gab es zwar Versuche, diese seien jedoch nicht weiterverfolgt worden, sagt sie.

Meist werde nicht zwischen Gentechnik und "Hybridsaat", die der Ursprung fast aller Gemüse- und Obstsorten im Supermarkt sei, unterschieden. Auch Umweltorganisationen und Medien würden dazu irreführende Infos verbreiten. Patente auf Paradeisersorten seien nicht mit Gentechnik gleichzusetzen. "Gentechnik bei Frischgemüse lohnt sich nicht", sagt Hendriks.

Das persönliche Resümee der Autorin nach ihrer Recherche: "Das habe ich dazugelernt: Im Winter esse ich keine frischen Tomaten. Die werden nicht nur geheizt, sondern auch belichtet. Das ist wirklich eine Nachhaltigkeitskatastrophe." Die spanischen Tomaten im Winter seien ziemlich fad, und bei den marokkanischen Tomaten seien die Arbeitsumstände der Pflückerinnen so erbärmlich, dass man sie aus diesem Grund nicht essen sollte. So habe "jede Tomate ihre Nachteile". (Stefanie Ruep, 22.3.2018)