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Der Messengerdienst Telegram scheint die Sicherheitsorgane in Russland besonders zu stören.

Foto: Reuters/Ruvic

Das Briefgeheimnis gilt nicht für das Telegramm, zumindest in Russland nicht für den Messenger-Dienst Telegram: Der Geheimdienst FSB befiehlt die Herausgabe der Verschlüsselungs-Codes und das Oberste Gericht des Landes hat die Anweisung nun für rechtens erklärt. Innerhalb von zwei Wochen muss Telegram die Daten herausgeben, anderenfalls droht die Aufsichtsbehörde Roskomnadsor mit der Blockierung des Services.

Seit einem Jahr streiten die russischen Behörden bereits mit Telegram-Gründer Pawel Durow über die Herausgabe von Informationen. Der FSB ist mindestens so neugierig wie jeder andere Geheimdienst auch und möchte nur zu gern wissen, was seine Bürger denken und sich schreiben.

Schon 2016 hat die russische Duma die gesetzliche Basis dafür geschaffen und die Freiheit im Internet stark eingeschränkt. Das sogenannte Anti-Terror-Paket von Gesetzen wurde von der Hardlinerin Irina Jarowaja eingebracht und trägt bis heute inoffiziell ihren Namen. Als eine der Maßnahmen verschärfte das Parlament massiv die Strafen für Äußerungen in sozialen Netzwerken, die als extremistisch eingestuft werden. Zugleich verpflichteten die Gesetzgeber Russlands Internet-Provider dazu, die gesamte Kommunikation ihrer Nutzer für ein halbes Jahr zu speichern und den Sicherheitsorganen zur Verfügung zu stellen. Das Gesetz ist zum 1. Januar 2018 in Kraft getreten.

Weitergabe von Infos

Auch die Briefwechsel der Telegram-Nutzer wollten die "Silowiki" sich genauer anschauen. Begründet wird die Neugier mit der Terrorgefahr. Angeblich hätten die Terroristen, die im April 2017 bei einem Anschlag auf die Petersburger Metro rund 100 Menschen verletzten und 16 töteten für ihre Kommunikation Telegram verwendet. Durow entgegnete darauf, in dem Fall müssten auch Einweg-Handys und SMS verboten werden, mit denen sich die Attentäter von Paris verständigt hätten.

Durow weigerte sich lange, seinen Messenger überhaupt als Massenmedium in Russland registrieren zu lassen. Am Ende gab er nach, um einer Sperre zu entgehen, betonte jedoch gleichzeitig, dass die Registrierung nicht die Weitergabe privater Informationen der Nutzer bedeute. Doch damit gab sich der FSB nicht zufrieden. Er forderte die Verschlüsselungs-Codes vor Gericht ein und bekam nun Recht.

Telegram hat die Möglichkeit, in Berufung zu gehen. Durow kündigte bereits an, trotz der juristischen Niederlage die Daten seiner Nutzer geheim zu halten. "Die Drohungen, Telegram zu blockieren, wenn es die Personendaten seiner Nutzer nicht herausgibt, werden keine Früchte tragen. Telegram wird die Freiheit und die Unverletzlichkeit der Privatsphäre schützen", teilte Durow mit. Angesichts des Datenskandals, der gerade um den Rivalen Facebook tobt, ein bemerkenswertes Statement.

Druck des Geheimdienstes

Tatsächlich ist die Gefahr für Durow wohl auch relativ gering. Der 33-Jährige, der mit dem russischsprachigen sozialen Netzwerk vkontakte zum Dollarmilliardär aufstieg, lebt seit 2014 nicht mehr in Russland. Seine Emigration begründete er damals schon mit dem Druck des Geheimdienstes, der von ihm die Herausgabe der persönlichen Daten der Euromaidan-Teilnehmer in der Ukraine gefordert hatte. Sein Messenger ist ebenfalls kaum noch vom russischen Publikum abhängig. Nur noch fünf Prozent der Nutzer stammen aus Russland.

Die Blockchain-Plattform, auf der Telegram basiert, kann von Russland nicht gesperrt werden. Damit können prinzipiell auch Nutzer in Russland die Blockade umgehen, indem sie über VPN-Server auf die Dienste zurückgreifen. Zumindest bislang ist die Blockade von VPN-Servern in Russland noch nicht aktuell.

Auch finanziell könnte sich die prinzipielle Position Durows damit auszahlen: Telegram plant ein ICO für die Entwicklung seiner Kryptwährung Gram und der Blockchain Technologie Telegram Open Network (TON). Bisher wurden über ein solches Crowdfunding in geschlossener Runde schon 850 Millionen Dollar bei 81 Investoren eingesammelt. Weitere 1,7 Milliarden Dollar sollen in der zweiten Runde des ICO folgen. Das Interesse an der Technologie wäre wesentlich geringer, wenn sich Durow so leicht erpressbar gegenüber den russischen Behörden präsentieren würde. (André Ballin aus Moskau, 21.3.2018)